piwik no script img

Der Letzte macht die Türe auf

Nach vielen Revolten schließt Brasilien den größten Knast Lateinamerikas in São Paulo

PORTO ALEGRE taz ■ Das größte Gefängnis Lateinamerikas, die Carandiru-Haftanstalt in São Paulo, ist 46 Jahre nach seiner Gründung geschlossen worden. Am Sonntag wurden die letzten 74 Häftlinge in Gefängnisse im Landesinneren des Bundesstaats São Paulo abtransportiert. Zuletzt war der für 3.250 Insassen gebaute Gefängniskomplex im Norden der brasilianischen Metropole mit über 7.000 Menschen belegt.

Im November 1992 artete eine Streiterei zwischen Gefangenen in eine Rebellion aus, die blutig niedergeschlagen wurde. Die Militärpolizei brachte 111 Häftlinge um. Der für das Massaker verantwortliche Offizier wurde im vergangenen Jahr in erster Instanz zu 632 Jahren Haft verurteilt. Solange das Revisionsverfahren nicht abgeschlossen ist, befindet er sich jedoch auf freiem Fuß.

Nach dem Massaker bildeten die überlebenden Gefangenen straff organisierte Banden. Im März 2001 ging von Carandiru die größte Gefängnisrevolte Brasiliens aus, die sich auf 27 Haftanstalten ausdehnte. Die Häftlinge nahmen tausende Besucher als Geiseln, um für die Verbesserung ihrer Haftbedingungen zu demonstrieren.

Für den Gouverneur von São Paulo, Geraldo Alckmin, waren die Zustände in Carnadiru unhaltbar. Für die Häftlinge, gab er jetzt bekannt, seien 11 neue Gefängnisse gebaut worden, in denen insgesamt 8.200 Menschen Platz fänden. Auch Menschenrechtsorganisationen begrüßten den Schritt.

Doch zahlreiche Probleme bleiben. Seit 1993 sind die Kapazitäten der Haftanstalten im Bundesstaat São Paulo um 41.000 erweitert worden. Im gleichen Zeitraum stieg jedoch die Anzahl der Inhaftierten um 53.000 auf insgesamt 108.000. Es fehlen 28.000 Plätze.

Wegen Überbelegung und Korruption kommt es in brasilianischen Gefängnissen regelmäßig zu Aufständen, bei denen häufig Häftlinge getötet werden.

GERHARD DILGER

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen