in fußballland
: CHRISTOPH BIERMANN über den Exprofi Uwe Fuchs

Eine Liebe in Middlesborough

Uwe Fuchs ist ein Held, dem die Massen zu Füßen liegen und dessen Andenken sie stets in ihrem Herzen tragen werden. Allerdings nicht in Ahlen, wo das jüngste Mitglied der Trainerdynastie Fuchs derzeit als Assistenzcoach von Uwe Rapolder arbeitet. Wahrscheinlich nicht einmal in Bielefeld oder Kaiserslautern, Düsseldorf, Köln oder Homburg, wo er während seiner Bundesligakarriere als bulliger Mittelstürmer das ein oder andere Tor schoss. Die Liebe, die er sein ganzes Leben nicht vergessen wird, erfuhr Uwe Fuchs fern der Heimat, im Norden Englands.

„Wenn ich daran denke, bekomme ich heute noch eine Gänsehaut“, sagt er, schiebt den Ärmel hoch und präsentiert als Beweisstück einen Unterarm mit prächtiger Gänsehaut. Als Fuchs im Januar 1995 zum FC Middlesborough wechselte, war der Klub gerade aus der Zone abgerutscht, die den Aufstieg in die Premier League bedeutet hätte. In den ersten fünf Spielen erzielte der Neue gleich sechs Treffer, darunter einen Hattrick gegen Bristol City, und in der Hafenstadt an der Nordsee brach die Uwe-Mania aus. Die Zuschauer mochten seine klare, kunstlose Art, die Bälle in Richtung Tor zu hauen. „Er strahlte etwas eindeutig Bäuerliches aus“, schrieb der englische Autor Harry Pearson, „wenn George Best ‚Beatles‘ war, dann war Fuchs ‚Das Wurzel‘.“

Seiner Beliebtheit taten auch die Gerüchte keinen Abbruch, dass er ein Verhältnis mit einer lokalen Berühmtheit hatte und darüber mit einem Kollegen aneinander geraten war, der ihre Ehrbarkeit in Frage gestellt hatte. Im Gegenteil, Fuchs und Middlesborough war eine wunderbare Verbindung, die noch bezaubernder dadurch wurde, dass sie niemand hätte voraussehen können. Trainer Bobby Robson hatte nämlich eigentlich Jan-Age Fjörtoft verpflichten wollen, der später die Anhänger von Eintracht Frankfurt so verliebt machen sollte wie Fuchs die in Middlesborough. Auch aus Sicht des deutschen Stürmers war der Wechsel nach England eher eine Flucht von der Ersatzbank in Kaiserslautern.

Neun Tore erzielte Fuchs bis zum Ende der Saison, Middlesborough schaffte den Aufstieg, dann musste der Held des Ayresome Park gehen. Sein Trainer wollte die Ablösesumme nicht bezahlen, die fällig geworden wäre, außerdem bekam er nun den ersehnten Fjörtoft. So wechselte Fuchs zum FC Millwall in den Südosten von London und folgte seinem ehemaligen Klub fortan als Fan, wenn immer das möglich war. Als das Team bei Chelsea spielte, besuchte er die alten Kollegen am Spieltag in ihrem Hotel. Alle begrüßten ihn enthusiastisch, und Robson lud Fuchs nicht nur zur Mannschaftsbesprechung ein, sondern nahm ihn sogar im Mannschaftsbus zum Stadion mit. Später musste Fuchs sich allerdings die Ermahnung gefallen lassen, demnächst nicht wieder während des Spiels aufs Klo zu gehen. Denn als er aufstand, entdeckten ihn die mitgereisten Fans und feierten ihren Uwe, anstatt ihre Spieler unten auf dem Rasen anzufeuern.

Anfang letzten Jahres wurde Fuchs zum Abschiedsspiel eines verdienten Profis noch einmal nach Middlesborough eingeladen. „Den ganzen Tag musste ich in der Stadt Hände schütteln“, sagt er immer noch schwer gerührt, „und alle haben mir viel Glück gewünscht.“ Im Stadion feierten ihn die Zuschauer beim Spiel der Traditionsmannschaft mit Standing Ovations, und als die aktuellen Teams auf den Platz kamen, absolvierte Fuchs noch eine Ehrenrunde.

Nach seiner Rückkehr aus England hatte er noch ein wenig in Bielefeld gespielt, wo seine geschundenen Gelenke nicht mehr lange durchhielten. Danach wurde er sportlicher Berater beim inzwischen ins Trudeln geratenen Vermarkter Sportwelt. Bei Fortuna Köln war er in der letzten Saison in der Regionalliga erstmals Cheftrainer, musste aber zwischendurch belegte Brötchen für seinen Spieler kaufen, weil der Klub nicht einmal dafür Geld hatte.

Nun ist er Assistenztrainer in Ahlen, was zwar nicht sehr glamourös ist, doch Uwe Fuchs wird auch weiterhin mit dem schönen Gefühl leben dürfen, dass es einen Flecken auf diesem Globus gibt, wo er ein unvergessener Held ist. Und es wohl für immer bleiben wird.

Fotohinweis: Christoph Biermann, 40, liebt Fußball und schreibt darüber