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„Bis zum Ende ausfechten“

Harald A. Summa, Geschäftsführer des Provider Dachverbandes „eco“, will gegen die Verfügung der Düsseldorfer Landesregierung, rechtsradikale Webseiten zu sperren, vor Gericht ziehen

Interview MONIKA GROSCHE

taz: Herr Summa, ist es wirklich so schlimm, zwei rechtsradikale Webseiten zu sperren?

Harald A. Summa: Es geht nicht um die Frage, ob es zwei sind oder 1.000. Ich glaube, dass hier sehr geschickt über zwei Adressen die generelle Machbarkeit und Wirtschaftlichkeit nachgewiesen werden soll. Für mich ist das wie ein Loch im Fass: Wenn man einmal ein Loch drin hat, dann wird sich das Wasser seinen Weg suchen. Ich bin mir sicher, dass wir in ein, zwei Jahren nicht mehr nur über zwei Seiten reden, sondern vielleicht über 2000 oder 20.000 – deswegen haben wir was gegen die Sperrung.

Was bedeutet die Sperrverfügung von Nordrhein-Westfalen denn tatsächlich für den User?

Für den Normal-User wird sich eigentlich nichts ändern. Er kennt die Seiten nicht und sie interessieren ihn nicht, also hat er kein direktes Problem. Aber es gibt ja auch den mündigen Bürger. Der sollte sich schon in seiner Meinungsfreiheit angesprochen fühlen. Auch wenn rechtsradikale Seiten rechtswidrig sind, vermitteln sie doch eine gewisse Vorstellung davon, was eben rechtswidrig ist. Das einfach auszublenden, ist nicht demokratisch und ist auch nicht im Sinne einer freiheitlichen Informationsgesellschaft. Als einfacher User würde ich mich schon sehr in meiner Informationsfreiheit gestört fühlen.

Und als Provider?

Der Provider hat zwei Probleme: Er hat einmal den keineswegs unerheblichen Aufwand zu tragen, diese Sperrung zu vollziehen, und er hat gleichzeitig das rechtliche Risiko, dass er irgendwann mal von demjenigen, den er gesperrt hat, verklagt wird. Man sollte endlich mal anfangen zu differenzieren. Wir haben hier kein Broadcastingsystem, das etwas nach Hause liefert. Der Provider vermittelt lediglich den Zugang zum Netz. Es muss eine willentliche Entscheidung stattfinden, um überhaupt zu diesen Inhalten zu kommen. Das sind Parallelen zu Post und Telefon. Mir ist nicht bekannt, dass irgendwelche ausländischen Telefonnummern hier in Deutschland gesperrt werden. Ich kann jeden anrufen, auch Herrn Bin Laden, wenn ich seine Nummer hätte. Und ich glaube nicht, dass es machbar ist, solche Telefonnummern auszublenden.

Es geht aber um rechtsradikale Propaganda.

Man fordert damit im Grunde den Rechtsradikalismus nur heraus, sich andere Wege zu suchen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Herr Lauck so doof ist, dass er bei einer Sperrung nicht die Seite unter einem anderen Namen ins Netz stellt. Man braucht ja nur ein Komma oder einen Buchstaben zu ändern. Das wird das reinste Katz-und-Maus-Spiel. Und das ändert an der Situation überhaupt nichts: Die Inhalte bleiben und die gegnerische Seite wird alle Register ziehen, dass es auch so bleibt. Da sollte man doch besser die inhaltliche Auseinandersetzung suchen. Warum sollen sich Schüler in höheren Klassen nicht mal ansehen, was das für ein Mist ist? Nur ein informierter Bürger kann entscheiden, was gut und was schlecht für ihn ist.

Mit dem Kölner Unternehmen QSC sperrt jetzt der erste Provider bundesweit. Und außerdem hat der Regierungspräsident sofortigen Vollzug der Sperrverfügung angeordnet.

Bereits fünf Unternehmen haben Klage eingereicht, weitere sechs werden folgen. Aber die überwiegende Mehrzahl der Provider setzt die Sperrung um, das ist leider die fatale Lage. Ich kann QSC zwar einerseits verstehen, zumal bei einem Prozess locker 50.000 bis 100.000 Euro Kosten drohen – und das angesichts der Situation der Branche, wo viele froh sind, nicht nächste Woche Insolvenz anmelden zu müssen. Das Vorgehen von Herrn Büssow ist jedenfalls einfach nicht mehr fair. Wir haben über Monate hinweg mit ihm darüber diskutiert und eine faire Entwicklung der Dinge im Auge gehabt – schließlich ist auch Herr Büssow sehr daran interessiert, das Ganze rechtlich zu klären. Deswegen können wir nicht verstehen, dass hier auf einmal die nächste Keule ausgepackt wird mit dem sofortigen Vollzug.

Das ist wirklich nicht mehr lustig. Wir müssen jetzt einfach den Klageweg beschreiten, sonst bekommen wir keinerlei Rechtssicherheit. Es gibt noch ganz viele Regierungsbezirke und noch viele Bundesländer, und wir müssen davon ausgehen, dass diejenigen, die sich bisher zurückgehalten haben mit Verfügungen und Klageandrohungen, jetzt auch auf den Plan gerufen werden.

Andere Institutionen sind noch nicht aktiv geworden?

Nein, bereits 1997 beim radikal-Fall hatte das BKA ja mit uns wegen Sperrungen diskutiert, aber dann weitgehend eingesehen, dass es nichts bringt. Wir müssen die Sache jetzt bis zum Ende ausfechten. Und wenn das Bundesverfassungsgericht sagt, das ist rechtens, dann haben wir ein sehr großes Problem, was die Meinungsfreiheit in Deutschland angeht. Dann kommen wir wirklich in den Bereich, wo wir von flächendeckenden Zensurmaßnahmen nicht verschont bleiben.

Wie stehen Ihre Chancen in den bevorstehenden Prozessen?

Wir haben bereits ein Rechtsgutachten erstellen lassen, auf dessen Grundlage wir bis zur letzten Instanz gehen werden. Es läuft auf einen Streit über die Informationsfreiheit hinaus, der eben vor dem Bundesverfassungsgericht entschieden werden muss. Eine Alternative gibt es nicht.

Bisher läuft das ja alles auf Verwaltungsebene ab. Ist aber nicht eher die Politik gefragt?

Dieses gesellschaftspolitische Problem möchte die Politik derzeit nicht in die Hand nehmen. Nur die wenigen Politiker, die Medienkompetenz haben, kümmern sich überhaupt um das Thema, die anderen lassen es fallen wie eine heiße Kartoffel, damit sie nicht in den Verdacht kommen, nichts gegen die braune Soße machen zu wollen. Da traut sich im Moment niemand ran. Wir hatten im Frühsommer eine Anhörung im Unterausschuss „Neue Medien“ im Bundestag und die Reaktion dort war unmissverständlich ablehnend gegenüber der Haltung der Bezirksregierung.

Wenn der Vorschlag der dänischen EU-Ratspräsidentschaft zur Vorratsspeicherung von Daten Erfolg hat, wird das Netz in Europa bald völlig anders aussehen.

Ich habe schon immer die These vertreten, dass sich das Internet global dreigeteilt entwickeln wird: Wirtschaftlich wird es ein Netz für die Unternehmen geben, in dem Wirtschaftsinformationen verteilt werden. Dann wird es ein wissenschaftliches Netz geben. Und schließlich den großen Rest, der sehr stark reglementiert sein wird. Das Problem der Konvergenz, also dieses Zusammenwachsen von Information, Telekommunikation und Medien, wird vor allem in Deutschland oft unterschätzt. In wenigen Jahren haben wir flächendeckend digitales Fernsehen, und wir werden viel mehr Rundfunk und Fernsehen im Netz haben, und dann greifen die Regulierungsrechte aus dem Bereich. Wenn man das zu Ende denkt, dann wird es einfach irgendwann nur noch eine Art Hörzu-Internet für die meisten geben: mit Positiv- und Negativliste dessen, was man sich anschauen darf und was nicht.

Halten Sie die Entwicklung für umkehrbar?

Nein. Ich glaube, dass in der Vergangenheit die Entwicklung zu schnell gegangen ist, die Politik und die Gesellschaft stoßen nun an die Grenzen des Mediums. Natürlich muss eine Regulierung staatlicherseits sein, zum Beispiel auch angesichts des Problems von Spam-Mails. Die Frage ist halt nur, unter welchem Aspekt sich die Regulierung niederschlägt. Zum Problem Spam wäre Selbstregulierung eine Chance. Man könnte die Entwicklung mehr in geordnete Bahnen lenken, wenn die Industrie Position bezieht und auch etwas tut. Aber da ist der Leidensdruck wohl noch nicht hoch genug.

monika.grosche@web.de Fotohinweis: HARALD A. SUMMA ist Gründer des Providerverbandes „Electronic Commerce Forum e. V.“ (eco).

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