: Wandernde Tiere in Gefahr
Internationale Konferenz in Bonn will wandernde Tierarten besser schützen. Mehr Sicherheit vor Klimawandel, Jagd und Verlust des Lebensraums gefordert
BERLIN taz/dpa ■ Für viele Tierarten, die zwischen ihren Jagd- und Brutplätzen weite Strecken zurücklegen, ist der Klimawandel bereits real: Singvögel, die zwischen Nord- und Südamerika hin- und herziehen, finden weniger Futter für den Vogelzug und die Brutpflege. Eisbären in der Arktis können wegen geringerer Eisflächen weniger jagen. Die Langflügelfledermaus in Südeuropa ist durch das nasse Wetter stark dezimiert worden, weil die Insekten ausblieben. Murmeltiere erwachen früher aus dem Winterschlaf und finden möglicherweise nicht genug zu fressen.
„Die 5.000 bis 6.000 wandernden Tierarten wie Zugvögel, Wale, Robben oder Fledermäuse, die teilweise um den halben Globus ziehen, sind besonderen Gefährdungen ausgesetzt“, sagte Bundesumweltminister Jürgen Trittin gestern bei der Eröffnung zweier Konferenzen in Bonn. Bis zum 24. September debattieren Experten aus rund 100 Ländern über die Erweiterung der Bonner Konvention zum Erhalt wild lebender wandernder Arten wie Meeressäuger, Wildkamele, Antilopen und verschiedene Vogelarten. Grundlage sind die UN-Konvention zur Erhaltung wild lebender wandernder Tierarten (Convention on the Conservation of Migratory Species of Wild Animals, CMS) mit ihrem Sekretariat in Bonn und das Regionalabkommen zum Schutz afrikanisch-eurasischer Wasservögel (AEWA). Geprüft werden auf der 7. Vertragsstaatenkonferenz insgesamt 36 Anträge zur Neuaufnahme bedrohter Tierarten in die Schutzlisten. Der 1979 in Bonn geschlossenen Konvention sind inzwischen 80 Vertragsstaaten beigetreten. 85 wild lebende Tierarten genießen bereits strengen Schutz.
Der ist auch dringend nötig. Denn viele Tiere verlieren durch den Klimawandel und industrielle Erschließung ihrer Lebensräume ihre Brut- und Nahrungsplätze und müssen in andere Gebiete auswandern. Dort wiederum verdrängen sie heimische Arten. Zugvögel wie der Trauerschnäpper kämen zu früh aus dem Süden zurück, sodass ihre Brut nicht die optimale Nahrung finde, sagt Markus Nipkow vom Naturschutzbund Nabu. „Es besteht eine große Gefahr für die Nester, wenn diese Übereinstimmung zwischen Brut und Nahrung nicht mehr stimmt.“ Andere Spezies wie Wale sind direkt durch die Jagd bedroht. Australien etwa schlägt auf der Konferenz vor, im Südpazifik ein Schutzgebiet für Wale einzurichten. Diese Maßnahme war in der internationalen Walfangkommission IWC nicht durchsetzbar.
Deutschland als Gastgeber der Konferenz dringt außerdem auf besseren Schutz der Zugvögel durch den Umbau von Stromleitungen, die tausende von Tieren töten. Auch soll erforscht werden, ob der massive Ausbau der Windkraftanlagen in der Nordsee den Vogelzug und die Wanderung von Walen beeinträchtigt. Außerdem soll die Ölproduktion auf See sicherer gemacht werden, um Ölpesten durch Unfälle und illegale Einleitungen zu verhüten. Um eine statistische Grundlage für weitere Forschungen zu haben, haben das Umweltministerium in Berlin und das Bundesamt für Naturschutz eine neue Datenbank entwickelt und gestern vorgestellt: das Weltregister für wandernde Arten.
BERNHARD PÖTTER
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