Schlimm, aber kein Drama

Bayern München verliert sein erstes Spiel in der Champions League 2:3 gegen Deportivo La Coruña und einigt sich darauf, dass dies kein Beinbruch sei, weil am Ende ohnehin der Bajuware siegt

aus München THOMAS BECKER

Hinterher war mal wieder alles egal. Jens Jeremies blaffte die Reporter an: „Schock? Das ist kein Schock. Wir haben ein Spiel verloren.“ Schnurz, was soll’s? „Am Schluss gewinnen wir sowieso“, hat er zwar nicht mehr gesagt, aber gehört hat’s trotzdem jeder. Der Achselzucker-Jens halt. Neben ihm gab Michael Tarnat zu Protokoll, die Tore seien „ein bisschen unglücklich gefallen“, und dem genialen Spielmacher Valeron habe man „ein bisschen viel Platz gelassen“. Tja, so isser, der Bisschen-Micha. Und Michael Ballack spielte seine aus Bayer-Zeiten bewährte Standardrolle: auch in der Niederlage noch irgendetwas Positives suchen. „Jetzt wissen wir, dass wir auswärts gewinnen müssen.“ Ach, der Loser-Mike, der arme.

Der FC Bayern fehlstartete in die Champions-League-Runde: 2:3 gegen Deportivo La Coruña im ersten von sechs Gruppenspielen, vor 40.000 im eigenen Stadion. Erste Heimniederlage seit 29 Europacup-Spielen und fünf Jahren. Die dritte im 38. Heimspiel. Erste Heimschlappe gegen ein spanisches Team. Schlimm, das alles. Aber überhaupt kein Drama. Vielmehr ein Hoffnungsschimmer für 17 deutsche Bundesligisten, mehrere Millionen Fußballfans und ein paar quotenversessene Fernsehleute, die schon einen sterbenslangweiligen Bayern-Durchmarsch befürchtet hatten. Aber das so fachfremd schöngeistig besungene Münchner „weiße Ballett“ (diesmal im rot-blauen Euro-Dress auflaufend), es tapste kräftig neben dem Takt her. Und zwar so kräftig, dass die Spielanalyse von Trainer Ottmar Hitzfeld interessanter war als die gesammelten Statements der Spieler, eine seltene Ausnahme von der Regel. Hitzfeld war sauer. Okay, das ist er öfter. Aber: Er hat’s auch gesagt. Und das vor der Presse. Und wie!

„Einige haben wohl gedacht, es läuft so gut. Wenn man das 2:2 schießt und noch 20 Minuten Zeit hat, dann darf da nichts mehr anbrennen, nach hinten.“ Ungefragte Zugabe: „Kein Spieler hat die Form gezeigt, die nötig ist, um in der Champions League ein Spiel zu gewinnen.“ Und noch eine: „Ich bin sehr enttäuscht.“ Aber hallo: Wenn Nichts-verlässt-die-Kabine-Hitzfeld öffentlich so spricht, hat der FC Bayern München nicht bloß ein Spiel verloren, sondern Hitzfeld seine Contenance. Demnächst wird der Chef wohl doch für mehr Rotation als bisher sorgen. Gegen La Coruña hat ihm bei vielen Spielern schlicht der Wille gefehlt, und davon haben die ungeduldigen Reservisten von Hargreaves über Fink bis zu den Kovac-Brüdern reichlich akkumuliert.

Dabei sah es einmal mehr nach einem klassischen Bayern-Spiel aus: erste Halbzeit „geschlafen, nur nebenher gelaufen, vorn und hinten nicht genügend bewegt, zu wenig Spielfreude, zu viele Fehler“ (Kritiker Ballack) – was die Spanier dank Valerons Pässen und Makaays Coolness bis zur Halbzeit zu zwei Schulbuchtreffern nötigte, bei denen in der Bayern-Abwehr niemand souverän wirkte. Mit Owen „Springinsfeld“ Hargreaves für Sagnol gab Hitzfeld nach der Pause das Signal zur Attacke, mit dem gewünschten Erfolg: Innerhalb von Minuten wuchs der Druck der Bayern-Offensive als hätte der Stadionmeister einen simplen Hebel umgelegt. 56.Minute: Salihamidzic, 1:2, 63.Minute: Elber, 2:2. Blieb nur die Frage: Wer macht das 3:2?

Roy Makaay machte das 3:2, was sich für die Bayern nicht rechnete. Kühl wie eine Hundeschnauze traf Makaay gegen den guten Torhüter Kahn und sagte hinterher ungerührt: „Es ist immer schön, drei Tore zu schießen, egal gegen wen.“ Kahn, der in der 74. Minute Gelegenheit zu seiner ersten von insgesamt zwei erfolgreichen Paraden bekommen hatte, sagte lieber gar nichts mehr.

Michael Tarnat kam sich nach dem letzten Treffer vor, „als sei man gegen eine Wand gerannt, es war schockierend“. Kollege Jeremies von der Anti-Schock-Fraktion hat das nicht mehr gehört. Und wenn, es wäre ihm sicher egal gewesen, schnurzegal. Denn am Schluss gewinnen die Bayern ja sowieso.

FC Bayern München: Kahn - Sagnol (46. Hargreaves), Kuffour, Linke, Tarnat - Salihamidzic, Jeremies (78. Niko Kovac), Ballack, Ze Roberto (81. Zickler) - Pizarro, Elber Deportivo La Coruña: Juanmi - Hector, Donato, Naybet, Romero - Victor (71. Acuna), Mauro Silva, Sergio, Fran (67. Capdevila) - Valeron - Makaay (86. Luque) Zuschauer: 35.000, Tore: 0:1 Makaay (12.), 0:2 Makaay (45.), 1:2 Salihamidzic (57.), 2:2 Elber (64.), 2:3 Makaay (77.)