: Der Anfang vom Ende für die UNO
betr.: „Eine Chance für die Vereinten Nationen“ (Bush hat in seiner Rede ein klares Bekenntnis zur UNO geleistet), Kommentar von Michael Streck, taz vom 14. 9. 02
Herr Streck irrt. 1. Bush hat sich nicht klar zur UNO bekannt. Vielmehr ist deutlich geworden, dass die amerikanische Regierung weiter nach dem Prinzip „multilateral, wenn möglich – unilateral, wenn nötig“ verfahren wird.
Die gegen den Irak geäußerten Vorwürfe sind so massiv, dass in Verbindung mit der Kriegsrhetorik der letzten Wochen und Monate nur davon ausgegangen werden kann, dass Bush auf jeden Fall in den Krieg ziehen will. Um den Widerstand im eigenen Land und den der Europäer zu brechen, versucht er jetzt mit aller Macht einen UN-Beschluss zu erzwingen.
2. Sollte der Sicherheitsrat ein militärisches Vorgehen gegen den Irak befürworten, so ist das eine eindeutige Schwächung der UNO. Es würde die Legitimation eines verbrecherischen Angriffskrieges bedeuten. Die Massenvernichtungswaffen, deren Besitz Saddam Hussein unterstellt wird, haben die USA und andere westliche Staaten ihm selbst zur Verfügung gestellt. Deren Einsatz auch „gegen das eigene Volk“ haben die Vereinigten Staaten damals bewusst hingenommen und Hussein auch danach weiter unterstützt.
Nach elf Jahren eines mörderischen Embargos und der Arbeit der UN-Inspektoren (die nicht nur durch den Irak, sondern ganz erheblich durch die USA selbst sabotiert wurde) verfügt der Irak allenfalls noch über Restbestände von B- und C-Waffen (mit denen er die USA unmöglich bedrohen kann!).
Die jetzt vorgelegten „Beweise“ sind zum Teil Jahre alt und können nicht von unparteiischer Seite verifiziert werden. Es mag für Präsident Bush viele Gründe geben, einen Krieg gegen den Irak zu führen; Selbstverteidigung gehört sicher nicht dazu. Wenn der UN-Sicherheitsrat einen solchen Angriffskrieg abnickt, bricht er mit den Prinzipien der UN-Charta und schafft damit einen Präzedenzfall, der es mächtigen Staaten in Zukunft erlauben könnte, jeden zur Bedrohung erklärten Gegner unprovoziert anzugreifen. Ein Krieg gegen den Irak ist keine Chance für die Vereinten Nationen, er könnte für die UN vielmehr den Anfang vom Ende bedeuten. ANDREAS SCHIEL, Berlin
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