DAX-ABSTURZ: AUCH NICHT REALISIERTE GEWINNE SIND BELASTEND: Millionen, die wehtun
Es war einmal ein normal verdienender Angestellter. Der hatte sich eine schöne Summe zusammengespart und dazu noch einige zigtausend Mark geerbt. Von dem Geld – sagen wir, es waren 80.000 Mark – kaufte er 1999 Pixelpark-Aktien. Ein Jahr später war er Millionär. Aus heutiger Sicht klingt das wie ein Märchen – aber vor einigen Jahren machte die Börse tatsächlich aus Geringverdienern und Mittelständlern Reiche. Nur: So schnell, wie der Geldsegen kam, verschwand er auch wieder. Der durchschnittliche Anleger, der 1997 investiert hat, steht heute wieder genauso da wie damals. Sein Reichtum bestand nur auf dem Papier. Dann ist ja alles gut, könnte man meinen.
Falsch. Auch das Geld, das dem Kleinanleger nicht wirklich im Portemonnaie fehlt, weil er es nie dort hatte, tut im Nachhinein weh. Genauso wie Moneten, die eine Firma nur als Auszug auf ihrer Bilanz besaß. Nicht nur, weil sich die Anleger, die nicht rechtzeitig verkauft haben, heute in den Hintern beißen. Schwerer wiegt, dass die Verstimmung den Aktionärinnen und Aktionären auf die Kauflaune schlägt. Größere Anschaffungen werden verschoben, denn man will keinesfall das Depot zum jetzigen Niedrigstand verkaufen. Das wiederum ist Gift für die Konjunktur, die mehr Konsum so gut gebrauchen könnte. Und auch die Unternehmen spüren die realen Folgen des Verlustes ihrer irrealen Gewinne: Hohe Beträge auf der Habenseite der Bilanzen machen den Zugang zu Krediten leichter und ermöglichen die Expansion.
Vor allem die Kleinanleger wollen nicht wahrhaben, dass sie die Chance verpasst haben, reich zu werden. Anstatt ihre leichtgewichtigen Aktien nun endlich zu verkaufen und das Geld auf dem Sparkonto anzulegen, warten viele auf eine zweite Chance. Doch ob die kommt, ist ungewiss. Denn es besteht immerhin die Möglichkeit, dass die Börsianer aus ihren Fehlern lernen und beim nächsten Boom vorsichtiger sind. KATHARINA KOUFEN
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen