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Anders Wohnen

Senat soll bei Gesetzesänderung Baugemeinschaften nicht erschweren und Bauplätze reservieren. Wenig Spielraum in Neugraben-Fischbek

Baugemeinschaften sind ein Instrument zur Reduzierung der Umlandwanderung

von GERNOT KNÖDLER

Die Pläne zur Änderung der Wohnungsbauförderung machen den Wohnprojekten große Sorgen. In einer Erklärung zu den fünften Hamburger Wohnprojektetagen fordern sie den Senat auf, Baugemeinschaften mit der anstehenden Gesetzesänderung nicht das Leben schwer zu machen. Sie reagieren damit auf die schlechten Erfahrungen mit dem rot-grünen Senat, in dessen Amtszeit nur wenige Wohnprojekte aufs Gleis gesetzt wurden. In dem neuen Baugebiet Neugraben-Fischbek 65, dessen Plan gestern vorgestellt wurde, sollen Baugemeinschaften eine Chance erhalten. Nach Ansicht von Kritikern bleibt die Stadt dabei jedoch hinter ihren Möglichkeiten zurück.

Bis Ende des Jahres muss der Senat seine Förderbedingungen dem neuen Wohnraumförderungsgesetz des Bundes anpassen. Die Entwürfe, die hierzu von der Baubehörde erarbeitet worden sind, würden neue Wohnprojekte erschweren und bestehende gefährden, befürchten die 18 kleinen Wohnungsbaugenossenschaften, die den Appell an den Senat unterzeichnet haben. In den Genossenschaften haben sich Projekte organisiert, die mit Unterstützung der Stadt gebaut haben. Sie wollen, dass auch anderen Menschen die Möglichkeit gegeben wird, sich so eine Heimat in der Stadt zu schaffen.

Bei Bausenator Mario Mettbach müssten sie offene Türen einrennen. „Es sollen mehr Menschen im geförderten Mietwohnungsbau und im Eigentum die Möglichkeit erhalten, sich selbst aktiv mit Wohnraum in der Stadt zu versorgen“, sagte er Freihaus, einem Informationsblatt, das der alternative Sanierungsträger Stattbau zu den Wohnprojekte-Tagen am Wochenende herausgibt. Die Förderung der Baugemeinschaften sei ein „Instrument zur Reduzierung der Umlandabwanderung“. Zurzeit prüfe seine Behörde die Gründung einer „Baugruppen-Agentur“, die Projekte betreuen soll.

Studien im Auftrag der Stadt hatten ergeben, dass der Mehrfamilienhausbau in Baugemeinschaften – ob mit öffentlicher Förderung oder rein privat finanziert – für viele Menschen eine Alternative zum Einfamilien- oder Reihenhaus bieten kann. Die Mitglieder von Baugemeinschaften können sich ihre Nachbarn und Mitstreiter aussuchen. Sie gestalten ihr künftiges Haus und desssen Umgebung selbst. Sie übernehmen Verantwortung für ihr Haus und ihre Nachbarschaft und tragen damit zur Stabilisierung von Stadtteilen bei. Sie tragen gesellschaftichen Trends Rechnung, indem sie Alte, Alleinerziehende sowie Behinderte integrieren und nach ökologischen Kriterien bauen. Der Architekt Joachim Reinig nennt das „die Rückeroberung der Stadt durch die Bürger“.

Der Gesetzentwurf würde sie behindern: Einkommensgrenzen würden eine Mischung von armen und reichen Haushalten im selben Projekt verhindern, befürchtet Tobias Behrens von Stattbau. Überdies verlange der Entwurf von künftigen Genossenschaften zu viel Eigenkapital. Dazu kommt ein Problem, das auch Eigentümer-Wohnprojekte betrifft: Die Stadt stellte Baugemeinschaften bisher kaum Grundstücke zur Verfügung. „In Hamburg gibt es eine Riesen-Erstarrung“, sagt Reinig. Die Flächen würden zwischen Investoren und den traditionellen Wohnungsunternehmen aufgeteilt.

Im künftigen Wohngebiet Neugraben-Fischbek 65 gehört ein großer Teil der Fläche der städtischen Saga und der VHW, die „konventionellen Geschosswohnungsbau machen“ werden, wie Oberbaudirektor Jörn Walter sagte. 20 Prozent der geplanten 1250 Wohnungen direkt am S-Bahnhof Neugraben, sollen in Mehrfamilienhäusern errichtet werden, ein Teil davon als Eigentumswohnungen, „gegebenenfalls über Baugemeinschaften“, wie es in einer Mitteilung der Senats heißt. Die übrigen Wohnungen sollen in Reihen- und Einfamilienhäusern entstehen. Damit fällt der Senat weit zurück hinter innovative Stadterweiterungsprojekte wie etwa in Freiburg, wo der Stadtrat für das Vauban-Viertel 70 Prozent Baugemeinschaften vorschrieb.

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