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Mehr Musik für die freudlose Gasse

Mit neuem Ton: Steven Garling sorgt dafür, dass Stummfilme immer mal wieder aus dem Off geholt werden

Internationales Festival für Stummfilm und Musik von Freitag bis Sonntag in der Hoffnungskirche, Brandströmstraße 36. Karten zu 12/9 Euro unter ☎4 48 73 12

Man sieht sie nicht, man hört sie nur: die Musik. Wo sie eigentlich im Film herkommt, wurde letztmals in der Charta der Dogma-Filmer problematisiert, deren Hardcore-Vertreter sich musikalische Zuspiele nur gönnen wollten, wenn die auch direkt einsehbar mit dem Geschehen auf der Leinwand verknüpft waren. Ein Schlag also gegen die aus dem Off wabernden Streicherheere, mit denen im Surround-Sound der arglose Kinogucker emotional in den Schwitzkasten genommen werden soll. Aber ohne Musik geht halt gar nichts. Das war schon zu Stummfilmzeiten so, und das einzig wirklich zwingende Argument gegen die Einführung des Tonfilms ist eigentlich nur, dass man im Kinopalast seines Vertrauens nicht mehr mit einem live aufspielenden Sinfonieorchester zum Film beglückt wird.

Aus dem Wurlitzer-Regelfall ist halt das Besondere im Kinoalltag geworden. Für das der Musiker Steven Garling allerdings immer wieder sorgt. Nun hat er in der Hoffnungskirche ein dreitägiges Festival für Stummfilm und Musik initiiert, bei dem in kleineren (internationalen) Besetzungen neben Sängern und Elektronika auch die Kirchenorgel zum Einsatz kommt. Das zu hören. Zu sehen ist ein filmhistorischer Dreisprung durch die goldenen Zwanziger.

Am Freitag führt das in „Die freudlose Gasse“ von Georg Wilhelm Papst, in dem sich Greta Garbo in den Inflationswirren als Luxusdirne versucht. Etwas unbeschwert kapriziöser geht es am Samstag mit Marlene Dietrich in „Ich küsse ihre Hand, Madame“ von Robert Land zu. Auch eine filmhistorische Besonderheit: Dem Film wurde eine kurze Szene – der titelgebende Schlager – mit Ton zugestückelt. Zum Abschluss ist am Sonntag Joe Mays Melodram „Asphalt“ zu sehen, in dem eine Juwelendiebin einen verheirateten Polizisten in schwerste Gewissensnöte bringt. Die Aufführungen beginnen um 20 Uhr.

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