: Nenn‘ es einfach Musik
Live spielen, vom Herzen her, und nicht so plattenstarr: Patrice, der nicht bloß auf Reggae gebucht werden will, stellt heute Abend im Grünspan sein neues Album „How Do You Call It“ vor
Interview von ALEXANDER DIEHL
Nicht dass es ganz vorbei wäre mit dem Reggae. Aber darauf reduziert werden möchte Patrice eben auch nicht länger: „Ich will nicht, dass Leute sagen: ,Patrice, der Reggaesänger, den find ich groß, weil er Reggae singt und das ist meine Musik.‘ Ich will, dass Leute einfach einen Song ansehen als das, was er ist. Und sehen, okay, das ist ein guter oder ein schlechter Song, je nachdem.“ An seiner Mitte Oktober zur Veröffentlichung anstehenden zweiten LP hat sich der Sänger und Songwriter erstmals auch als Produzent beteiligt. Die zu Hause in Eimsbüttel vorproduzierten Tracks im Gepäck, flog er zur Endfertigung nach Jamaika. In einem Studio mit Meerblick und Dachterasse kam dabei unter durchaus prominenter Beteiligung, darunter Fugees-, D‘Angelo- und Black Uhuru-Musiker, ein vielseitiges Album heraus. How Do You Call It ist von Soul und reduziertem Blues so sehr geprägt wie von folkloristischen Einflüssen und Reggae. taz hamburg sprach mit dem 22-Jährigen über das Verhältnis von Studio und Bühne, Festlegung und Improvisation.
taz hamburg: Wie wichtig ist es für dich, live zu spielen?
Patrice: Sehr wichtig. Live spielen ist eigentlich, was ich am liebsten mache. Fast noch lieber als Songs schreiben – jein, das ist fast gleichwertig. Aber live zu spielen ist das, worauf ich hinarbeite. Platten sind so ein feststehendes Ding, so starr. Man mag einem Lied Leben einflößen und, hoffentlich, auch eine gewisse Zeitlosigkeit. Aber es ist ein Bild, das feststeht. In einer Show passiert die Musik in dem Moment. Und sie lebt irgendwie. Es ist freier. Und es ist natürlich viel mehr da: Du hast die Interaktion mit dem Publikum. Und die Zuschauer sehen auch viel besser, worum es geht. Manche verstehen das erst, wenn sie das Konzert sehen. Wenn sie sehen, wie das alles gemeint ist, an der Mimik oder was weiß ich. Auch mit meinen Musikern, wir sind sehr familiär und halten viel voneinander. Es ist einfach cool, wenn dann einer ein Solo macht und mich das berührt. Wir füttern uns gegenseitig – mit Noten.
Nach dem ersten Album bist du ja sehr viel auf reine Reggae-Veranstaltungen gebucht worden. Hast du dein Programm irgendwie anpassen müssen?
Ich habe so ziemlich alles gespielt, viele neue Sachen. Das war kein hunderprozentiger Reggae.
Und war das je ein Problem?
Nein. Ich glaube, in dem Livekontext wird das verstanden. Auf Platte kommen viel mehr Fragen auf, als wenn das Publikum es live sehen kann. Für mich ist das auch ein Stück weit, das mag vielleicht anmaßend klingen, Erziehung.
Wenn du auf Tour gehst, hast du ja eine feste Band dabei. Verändern sich da die Stücke, die ja in unterschiedlichen Besetzungen aufgenommen wurden?
Sie ändern sich definitiv, weil jeder Mensch anders ist. Aber die Band versucht schon, die Grundlinien einzuhalten. Teilweise löst man sich davon. Meine Shows haben immer einen Rahmen, innerhalb dessen kann alles passieren. Auch weil wir die letzten anderthalb Jahre lang nie Zeit hatten zu proben. Natürlich können die Leute die Stücke spielen, aber sehr viel ist improvisiert. Wir müssen uns ja auch selbst entertained halten – und das Publikum. Ich denke, das macht mich auch ein bisschen aus: Improvisation. Wir spielen halt vom Herz her, nicht so ein festes Ding. Ich glaube, die Leute sehen das auch. Wenn ich lache über irgendwas, das gerade musikalisch passiert ist, dann ist das echt, nicht geprobt. Oder wenn ich denke, da ist ein Fehler passiert – na ja, Fehler machen wir ja nicht direkt. Aber das ist dann eben auch echt. Und ich glaube, das Publikum mag das.
Patrice: How Do You Call It (Yo Mama/ Zomba); Release-Konzert: heute, 21 Uhr, Grünspan
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