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Warum treibt die „Joola“ kieloben?

Senegals Staatschef Abdoulaye Wade steht nach der Havarie der „Joola“ mit bis zu 700 Toten in der Kritik. Die Fähre kommt aus Deutschland

von DOMINIC JOHNSON

Das oberrheinische Germersheim hat neuerdings ein Imageproblem. Die Fähre „Joola“, die am Donnerstagabend vor der Küste Senegals kenterte und vermutlich über 700 Menschen in den Tod riss, kommt aus der Neuen Germersheimer Schiffswerft und wurde 1990 für 25 Millionen Mark mit einem Kredit der deutschen KfW (Kreditanstalt für Wiederaufbau) an Senegal verkauft. „Mit diesem größten je am Oberrhein gebauten Schiff – 80 Meter Länge, 600 Passagiere – stellte die Werft ihre Leistungsfähigkeit unter Beweis“, lobt die Stadt Germersheim auf ihrer Homepage den „spektakulärsten Neubau“ ihres 49 Jahre alten Werftbetriebes. Nun treibt die „Joola“ kieloben vor Afrika.

Gegen 23 Uhr am Donnerstagabend sank das Schiff, als es auf dem Weg vom südsenegalesischen Ziguinchor in die Hauptstadt Dakar in eine Sturmfront geriet. „Es gab schwere Windböen mit Regen, und das führte dazu, dass das Boot sank“, sagte einer von bislang nach offiziellen Angaben 63 lebend Geborgenen. Ein anderer: „Das Boot sank in weniger als fünf Minuten. Ich hörte, wie die Kinder schrien.“

Die Joola war aber nicht, wie die meisten Unglücksfähren in Afrika, hoffnungslos überladen und durchgerostet. Sie war 12 Jahre alt und gerade erst überholt worden. Und 796 statt 600 Passagiere ist keine ungewöhnliche Überbesetzung. Auch dass Sturm angesagt war, als das Schiff auslief, reicht als alleinige Unglücksursache nicht aus. Schließlich sei ja sonst kein Schiff in der Gegend untergegangen, erregte sich am Samstag die senegalesische Tageszeitung Le Soleil in einer bitteren Betrachtung unter dem Titel „Ist das Meer schuld?“.

Erst am 10. September war die Joola wieder in Betrieb gegangen, nach einem ganzen Jahr Generalüberholung. Aber trotz umfangreicher Reparaturen war immer noch einer der beiden Motoren kaputt. Vor der Reparatur des zweiten Motors sei der Regierung das Geld ausgegangen, aber Präsident Abdoulaye Wade habe unbedingt ein Zeichen für den entlegenen Südteil seines Landes setzen wollen, heißt es aus gut informierten Kreisen.

Die Joola war Symbol von Senegals territorialer Einheit. Für Ziguinchor, Hauptstadt der südsenegalesischen Region Casamance, war sie – wenn sie funktionierte – das einzige sichere und bezahlbare Verkehrsmittel in den Rest des Landes. Die Casamance ist vom Rest Senegals durch den Ministaat Gambia getrennt, dessen Bewohner vom Abzocken des Transitverkehrs leben. Der mehrere hundert Kilometer lange Umweg um Gambia herum ist für Händler gefährlich, denn die Casamance ist Schauplatz einer Rebellion bewaffneter Separatisten, die sich im Laufe der Zeit in eine Vielzahl von Banden aufgesplittert und alle Überlandstraßen unsicher gemacht haben.

Kein Wunder, dass nun viele in Senegal meinen, das Schiff sei aus politischen Gründen zu früh wieder in Betrieb genommen worden. „Kriminelles Versagen“, titelte die regierungsnahe Tageszeitung Sud Quotidien; die unabhängige Wal Fadjri schrieb von „kriminellem Populismus“. Präsident Abdoulaye Wade erkannte die Verantwortung des Staates an und versprach eine Untersuchung. Zugleich griff er zu Ausreden: „Das Boot wurde für Binnenschifffahrt gebaut, nicht für das Meer“, behauptete der Präsident über die wichtigste Atlantikfähre seines Landes.

Für Wade ist das Unglück besonders peinlich. Senegals Präsident sieht sich als Chefmodernisierer Afrikas. Seit Jahren predigt er, der Kontinent könne sich nur mit massiven Investitionen in transkontinentale Verkehrswege entwickeln. Nun muss er erst einmal den Verkehr im eigenen Land wieder möglich machen.

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