Schimmelfreie Schule

Verbindliche Standards und Sanktionen: Bildungssenator Rudolf Lange (FDP) stellt Entwurf des neuen Hamburger Schulgesetzes vor

„Es gibt kein Elternrecht auf freie Schulwahl mehr.“

von SVEN-MICHAEL VEIT

Härtere Prüfungen und härtere Strafen sind die Konsequenzen, die Hamburgs Schulbehörde aus den für die Schulen der Hansestadt wenig erfreulichen Ergebnissen der Pisa-Studie zieht. Neue „leistungsorientierte Bildungspläne“, verbindliche Standards für Abschlussprüfungen in allen Schulformen, Notenzeugnisse ab der dritten Klasse in „Ergänzung“ zu Lernberichten, die Aufhebung der freien Schulwahl und der Lernmittelfreiheit sowie die „Erweiterung und Präzisierung der Ordnungsmaßnahmen“ sind die Kernpunkte eines künftigen Hamburger Schulgesetzes, das Bildungssenator Rudolf Lange (FDP) gestern Nachmittag in einem Gymnasium in Harvestehude vorstellte.

Dadurch würde der Unterricht in allen Schulformen „effektiver und konsequenter“ werden, befand Lange, und das seien nun mal die wesentlichen Merkmale einer „zukunftsweisenden Bildungspolitik“. Der Entwurf soll jetzt den Kammern und Verbänden zugeleitet werden und im Februar den Senat passieren. Die Verabschiedung durch die Bürgerschaft soll noch vor der Sommerpause 2003 erfolgen, damit das Gesetz zum Schuljahresbeginn im August in Kraft treten könne.

Die Aufhebung „der generellen Lernmittelfreiheit“ begründete Lange damit, dass SchülerInnen mit eigenem Eigentum „pfleglicher“ umgehen würden. Pro SchülerIn käme auf die Eltern künftig ein Obolus von mindestens 60 Euro jährlich zu, sozial Schwache könnten „Büchergutscheine“ erhalten.

Als „Stärkung der Elternrechte“ begreift er den Passus, wonach bei der Wahl der Grundschule Elternwünsche „so weit wie möglich berücksichtigt werden sollen“. Der „freie Elternwille bei der Wahl der Schulform nach Klasse 4“ bleibe, so der Bildungssenator weiter, erhalten – aber nicht das Recht, sich die Schule für ihre Kinder selbst auszusuchen: „Es gibt kein Elternrecht auf freie Schulwahl mehr.“

Weitere Kernpunkte im Gesetzesentwurf sind die Reduzierung der Beobachtungsstufe, die Möglichkeit der Entfernung renitenter SchülerInnen „für zehn Tage von der Schule“ als Sanktionsmaßnahme, das Abitur nach zwölf Schuljahren und das Ende der von Rot-Grün eingeführten sechsjährigen Grundschule. Hingegen sollen die Integrierten Haupt- und Realschulen „als Versuch“ erhalten bleiben, auch Integrationsklassen für behinderte SchülerInnen sollen weiter Bestand haben.

Eine „üble Erblast von Rot-Grün“, so Lange, sei zudem der „oft katastrophale“ bauliche Zustand vieler Schulen. Um marode Dächer, Schimmel an mindestens 50 Schulen sowie veraltete Sanitäranlagen instand zu setzen, müssten etwa 2,2 Milliarden Euro aufgewendet werden. Schon heute hofft der Freidemokrat, vom Kollegen Finanzsenator Peiner Geld für eine „sofortige Sanierungsinitiative“ zu erhalten. Ungefähr 50 Millionen Euro schweben ihm vor.

Mit heftiger Kritik an dieser „Kampfansage an die Chancengleichheit“ reagierte Britta Ernst, schulpolitische Sprecherin der SPD-Bürgerschaftsfraktion. Langes Vorschläge entstammten „der schulpolitischen Mottenkiste der 60er Jahre“. Hamburgs SchülerInnen, so Ernst, bräuchten hingegen „mehr Integration, nicht weniger“ und „Pädagogik statt Säbelrasseln“. Stattdessen schränke der Entwurf die „Durchlässigkeit im Schulsystem“ ein. Die SPD werde, so ihr Versprechen, „eine breite öffentliche Diskussion über dieses Schulgesetz“ einfordern.