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Goldener Oktober

Das Junge Theater Bremen verspricht einen heißen Bühnenherbst: Heute beginnt im Güterbahnhof das Festival „Theater für alle“ - Poppiger, bunter, experimenteller denn je - aber wie immer zu selbst bestimmten Preisen

Der Güterbahnhof ist im Oktober der schönste Ort Bremens. Vor allem abends, wenn draußen blässliche Laternen leuchten - und in der Halle hinter Tor 48 die Scheinwerfer aufblenden.

Der Grund: Dort findet ab heute nach einjähriger Abstinenz wieder das „internationale Festival Theater für alle“ statt. Schau an, schau an - die weite Theaterwelt in Bremen? Nicht ganz.Denn die internationalen Rosinen sind der italienische Bühnen-Anarcho Leo Bassi (30./31. Oktober), Folk-Gitarrist Daniel Johnston aus den USA mit einem Konzert (19. Oktober) und das Zürcher Duo Bibiana Beglau und Falk Richter, das morgen die szenische Lesung „Gott ist ein DJ“ präsentiert. Das übrige Programm - ist norddeutsch. Den Rang der Reihe schmälert das nicht. Umso ernster nämlich ist ihr Motto „give as much as you can“ zu nehmen. Es bezieht sich auf Veranstalter, Künstler und Zuschauer gleichermaßen: Mehr als die 21 Produktionen desFestivalspielplans hätte das Junge Theater (JT) kaum über die 31 Oktobertage verteilen können. Zudem ist der Eintritt freiwillig - sprich, jeder löhnt so viel er mag in der für ihn passenden Währung. Kuchen etwa ist laut JT-Sprecher Karsten Werner akzeptiertes Zahlungsmittel.

Aber auch SchauspielerInnenund Chansonneusen freuen sich auf die „ungewöhnliche Situation“, so Anja Wedig. Das Publikum sei nämlich „oft ein anderes als sonst“ und selbst Bühnen-Gewöhnte kämen nicht mit der üblichen Erwartungshaltung. „Das Theater wird weniger als Dienstleistung konsumiert.“ Das weckt Lust und Mut zum Experiment.

Wedig weiß, wovon sie spricht. Die Aktrice hat schon mehrere Theater-für-alle-Festivals - die gibt‘s seit 1996 - miterlebt.In diesem Jahr spielt sie die weibliche Hauptrolle in der neuen JT-Kreation „Die Untersuchung eines Zufalls“ von Alexej Schipenko.

Das Stück, im Sommer auf Sylt entstanden, einstudiert und in der Regie des Autors uraufgeführt, erlebt am 25. Oktober seine Bremen-Premiere.

Anders als seine Vorgänger werden die Festspiele diesmal jedoch keine „best-off“-Reihe des JT, kündigt Karsten Werner an. Zwar mache die Eigenproduktion „Alles. In einer Nacht“ heute um 20.30 Uhr den Anfang. Doch die meisten Abende werden auswärtige Künstler bestreiten.

Etwa das Ensemble„two fish“ aus Berlin. Die vier Tänzer zeigen mit „Christiane Müller, Gabriel-Max-Straße 2, 1.OG links“, eine irritierend intime Performance: Sie erfasst eine Bremer Privatwohnung choreografisch.

Allerdings ist - der Stadtplan beweist‘s- die angegebene Adresse nur fake. „Wo sie auftreten, wissen wir noch nicht“, sagt Werner. „Wir haben zwei Angebote. Die Tänzer müssen sich noch entscheiden.“ In einer der Wohnungen proben „two fish“ kommende Woche. Dann funktionieren sie das Quartier vom 15. bis 17. Oktober zur Bühne um. Für 15 Zuschauer reiche der Platz, schätzt Werner. „Die fahren wir von hier aus hin.“ Am 18. Oktober gebe es dann eine Aufführung im Güterbahnhof.„Dann spielen sie dem Inhaber seine Wohnung vor.“ Und allen, die zuvor keinen Platz gefunden hatten. Luis Meister

Heute: Alles. In einer Nacht, JT Bremen. Morgen: Gott ist ein DJ. Bibiana Beglau, Falk Richter (Zürich). Freitag, 4. Oktober: Hacke on Korg, Musikperformance, Alexander Hacke (Berlin). Samstag, 5. Oktober: War nie weg, Kammerpop, Popette Benacor (Berlin). Jeweils im Güterbahnhof, Tor 48, immer 20.30 Uhr. Weiteres Programm unter www.JungesTheater.de und im taz-Veranstaltungskalender.

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