: off-kino Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet
Als Regisseur Don Siegel und Drehbuchautor Daniel Mainwaring die von dem Schriftsteller Jack Finney erdachte Geschichte von den außerirdischen Pflanzen, welche die Bewohner einer Kleinstadt Zug um Zug durch identisch aussehende, aber gefühllose Replikanten ersetzen, 1956 erstmals für das Kino bearbeiteten, gehörte „Die Dämonischen“ (Invasion of the Body Snatchers) zu den Ausnahmen im Science-Fiction-Genre.
Zwar waren Invasoren aus dem Weltall nichts Neues – doch die Unmöglichkeit, sich gegen dieses Eindringen in die kleine heile Welt zu wehren, und die Gleichgültigkeit, mit der sich die Menschen hier ihrer Persönlichkeit berauben lassen, mussten schockierend wirken. In „Die Dämonischen“ darf sich niemand mehr auf die traditionellen Bindungen zu Familie oder Freunden verlassen, und selbst staatliche Autoritäten wie die Polizei sind längst unterwandert. Siegels Held, der Arzt Miles Bennell (Kevin McCarthy), kann Menschen und Replikanten, Freund und Feind nicht mehr auseinander halten: „Ich sah ein, ich konnte überhaupt niemandem mehr trauen.“
Auch wenn es Bennell gelingt, aus seiner Kleinstadt als einziger „echter“ Mensch zu fliehen – letztlich hat die Menschheit keine Chance: Am Ende steht die hemmungslose Ausbreitung der Pflanzen. Damit nahm Siegels Film eine Entwicklung vorweg, die sich sonst tatsächlich erst gegen Ende der Sechzigerjahre auf breiterer Front bemerkbar machte, als die Horror- und Science-Fiction-Filme – nicht zuletzt unter dem Einfluss von Studentenrevolte und Vietnamkrieg – wesentlich gewalttätiger wurden und ihre Protagonisten immer unsicherer, beherrscht von einem Gefühl des Ausgeliefertseins.
„Die Dämonischen“ 7. 10., 9. 10. Filmmuseum Potsdam
Wie man die „feindliche Übernahme“ einer Persönlichkeit auf eher komödiantische Weise abhandelt, zeigt Spike Jonze in „Being John Malkovich“: Da entdeckt der brillante, jedoch völlig erfolglose Marionettenspieler Craig Schwartz (John Cusack) bei seinem neuen Day-Job als Archivhilfskraft hinter einem Aktenschrank einen Zugang zum Kopf des berühmten Schauspielers John Malkovich (John Malkovich) – mit unabsehbaren Folgen für ihn selbst, seine Frau Lotte (Cameron Diaz), die Kollegin Maxine (Catherine Keener), seinen Arbeitgeber Dr. Lester (Orson Bean) und natürlich auch für den Mimen Malkovich.
Zunächst verscherbeln Craig und Maxine die Reise durch Malkovichs Bewusstsein (die nach fünfzehn Minuten an einer Böschung nahe der Ausfallstraße in Richtung New Jersey endet) noch für zweihundert Dollar pro Ticket an erlebnishungrige New Yorker, doch schon bald ergeben sich Komplikationen: Während sie gerade eine Reise durch Malkovich macht, verliebt sich Lotte in Maxine, die sich ihrerseits vom weiblichen Verlangen, das plötzlich aus den Augen des Schauspielers spricht, angesprochen fühlt. Doch gleichzeitig wird Maxine magisch von der Macht angezogen, die Craig mit seinen Fähigkeiten als Puppenspieler über den Mimen erringen kann – und ihr Doppelspiel lässt alle Beteiligten gänzlich schamlos betrügen und intrigieren.
Regisseur Jonze und Drehbuchautor Charlie Kaufman schufen eine amüsante Reflexion über Sein und Bewusstsein, über sexuelle Identitäten und ewiges Leben, über Image und Erfolg, deren überaus lakonischer Humor auf der Kontrastierung der tragisch-ernsten Probleme seiner Protagonisten mit der absurden Ausgangsidee beruht.
„Being John Malkovich“ 4. 10.–5. 10. Kinosuppe im Max und Moritz; 6. 10., 9. 10. Kinosuppe imRAW-Tempel
Eine Reihe mit Filmen des berühmten japanischen Regisseurs Akira Kurosawa zeigt das Filmkunsthaus Babylon im Oktober. Zu Kurosawas interessantesten Werken gehört der 1963 nach einem Roman des US-Autors Ed McBain entstandene Film „Zwischen Himmel und Hölle“, der anhand eines spannenden Kriminalplots viele soziale und moralische Fragen aufwirft.
Kurosawa kontrastiert die ärmliche Welt eines skrupellosen Kidnappers mit dem relativ luxuriösen Leben eines Fabrikanten, der eine schwere Entscheidung zu treffen hat: Denn das Kind, für dessen Freilassung der Verbrecher ein exorbitant hohes Lösegeld fordert, ist das „falsche“ – nicht der Sprössling des Industriellen, sondern sein Spielkamerad, der Sohn des Chauffeurs, wurde verschleppt …
„Zwischen Himmel und Hölle“ (OmU) 3. 10., 5. 10. im Filmkunsthaus Babylon
LARS PENNING
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen