piwik no script img

Einer geht, einer bleibt

Aus Kostengründen schafft die „Frankfurter Rundschau“ heute einen der beiden Chefposten ab. Auch andere Bereiche der linksliberalen Zeitung sollen möglicherweise komplett weggespart werden

von STEFFEN GRIMBERG

Heute also soll er feststehen, der Name des künftigen Allein-Chefredakteurs der Frankfurter Rundschau. Und alles deutet darauf hin, dass man ihn längst kennt: Jochen Siemens nämlich. Der leitet schon seit Mitte 2000 das wirtschaftlich schwer angeschlagene Blatt, allerdings noch gemeinsam mit Hans-Helmut Kohl. Die chefredaktionelle Doppelspitze soll nun auf Empfehlung der Wirtschaftsberatung KPMG eingespart werden .

Angesichts der desolaten Lage des defizitären Blattes finde sich ohnehin kein ernst zu nehmender auswärtiger Bewerber, heißt es in Frankfurt. Und bei der in Verlag wie Redaktion herrschenden Verunsicherung werde daher eine mit den Problemen vertraute neu-alte Lösung vorgezogen. Hans-Helmut Kohl wiederum sei nach wie vor „angezählt“, weil sich das von ihm „vehement unterstützte Projekt“ einer eigenen FR-Nachmittagszeitung für Frankfurt als „Geldvernichtung“ entpuppt hatte, sagt ein Redakteur. City war Ende August 2000 gestartet – und wenige Monate später schon wieder dicht.

Auf den künftigen Alleinchef warten undankbare Aufgaben: Mindestens 90 weitere Stellen, davon bis zu 30 in der Redaktion, müssten nach KPMG-Berechnungen wegfallen, um dem Blatt, das seine Kreditlinien offenbar voll ausgeschöpft hat, wieder Luft zu verschaffen. Die Chefredaktion soll bei den anstehenden Umstrukturierungen die Führung übernehmen, heißt es in Frankfurt, weil die Verlagsgeschäftsführung auf ganzer Linie versagt habe. Die Banken, wird in Frankfurt berichtet, machen zusätzlich Druck und fordern eine zügige Umsetzung der KPMG-Empfehlungen.

Die Stimmung im FR-Stamhaus am Eschenheimer Turm ist entsprechend: „Unsicherheit, Misstrauen und die ewig brodelnde Gerüchteküche“ dominierten am Main wie im Berliner Büro des Blattes den Arbeitsalltag, berichtet ein Mitarbeiter.

Zu diesen Gerüchten gehört auch, dass die anstehenden neuen Kündigungen nicht mehr wie bisher rein nach sozialen Kriterien verteilt werden sollen. Ganze Bereiche des Blattes, wie das erst im Frühjahr 2000 relaunchte Magazin zum Wochenende, stehen angeblich zur Disposition. „Natürlich wäre das ein Imageverlust“, heißt es intern, „Aber Image ist etwas, wofür jetzt kein Geld mehr da ist.“

Denn die Ursache der durch die allgemeine Anzeigenflaute verschäften Malaise sei hausgemacht, „dem öffentlichen Dienst ähnliche“ Strukturen hätten zu unkontrollierten Kostensteigerungen bei der FR geführt, dazu kamen kostspielige Fehlinvestitionen à la City. Mancher kann der Situation dennoch Positives abgewinnen: „Das Gute“ am KPMG-Bericht sei schließlich, „dass die den Laden immerhin für sanierungsfähig erklären“.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen