deutscher fernsehpreis: Letzte Feier vor dem Fiskus
In Zeiten der Konjunkturkrise kann selbst eine ausgewiesene Glanz- und Jubelveranstaltung wie der Deutsche Fernsehpreis zum Spießrutenlauf ausarten. Und ausgerechnet der diesjährige Ausrichter, die ARD, wurde von entsprechender humoriger Härte verfolgt. Ihr Vorsitzender, WDR-Intendant Fritz Pleitgen, wollte es wohl als Zeichen von Selbstironie verstanden wissen, als er schon in den ersten Sätzen seiner Begrüßung über anstehende Steuernachforderungen kalauerte. Als Aufforderung zum allgemeinen ARD-Bashing verstand es manch einer, der in den nachfolgenden drei Stunden die Bühne im Kölner Coloneum betrat. „Zur Party sind in diesem Jahr aus Kostengründen nur die Gäste mit ungeraden Nummern geladen“, frotzelte Moderator Dirk Bach. Fehlte nur noch die Zielgruppen-Kerbe, in die ein frisch Thrombose-genesener Rudi Carrell haute: „Fast überall bin ich mittlerweile der Älteste. Nur wenn ich ARD und ZDF gucke – dann bin ich der Jüngste.“
Platz zwei des Häme-Rankings ging an den Telefonsender „NeunLive“. Dessen Senderchefin Christiane zu Salm lächelte müde zu Bachs Scherzen und bekam auch noch von ihrem Ex, Prinz Ludwig, verbal eins mit. Natürlich nur um zu betonen, dass man Geld im Fernsehen auch sinnvoll ausgeben könne. Für ein aufwändiges TV-Movie wie „Der Tanz mit dem Teufel – Die Entführung des Richard Oetker“ zum Beispiel, dessen Koproduzent Ludwig zu Salm war. Die Fernsehpreis-Jury kürte es verdient zum besten Fernsehfilm des Jahres. Qualitätsurteil: „Zeitgeschichte, wie sie spannender und kraftvoller nicht inszeniert werden kann.“ Nach seinem Vorjahressieg mit „Der Tunnel“ konnte Nico Hofmann, Chef der Berliner Produktionsfirma „teamWorx“, einmal mehr in der Königskategorie punkten. Überhaupt zogen sich „teamWorx“-Filme wie ein roter Faden durch die Preisverleihung: Für die Hauptrolle im eindringlichen Psychothriller „Toter Mann“ wurde André Hennicke ausgezeichnet, für dessen Regie Christian Petzold. Als beste Schauspielerin setzte sich Anneke Kim Sarnau, unter anderem für „Ende der Saison“, durch.
Wenig überraschend endete das Rennen in den meisten nonfiktionalen Kategorien. Für seine „80er Show“ bekam Oliver Geißen den Unterhaltungspreis, Anke Engelke konnte sich den Comedy-Preis für „Ladykracher“ abholen. Musste man schon unbedingt eine neue Kategorie „Beste tägliche Sendung“ einführen, so war die Auszeichnung von „Richterin Barbara Salesch“ als Trendsetterin des Courtshow-Booms zumindest folgerichtig.
„Mit ihrer Moderation gelang es Sabine Christiansen und Maybrit Illner, das Fernsehduell als politisches Format im deutschen TV-Kanon zu etablieren.“ Die eher nüchterne Jury-Begründung reichte am Ende für den Preis in der Kategorie Information aus. Ob man sich hier von Ausgewogenheit leiten ließ? Um das böse Wort Proporz einmal zu vermeiden. Für seine – im wahrsten Wortsinn – außerordentlichen Moderationsleistungen vom 11. September hatte RTL-Anchorman Peter Kloeppel bereits im Frühjahr den Grimme-Preis kassiert – was ihn jetzt wohl um den Deutschen Fernsehpreis brachte. Immerhin gab der Tag des Terrors Anlass für die kurzfristige Einrichtung einer Sonderkategorie „Bestes internationales Programm“, in der die französischen Filmemacher Gédéon und Jules Naudet für ihre weltweit ausgestrahlte „9/11“-Reportage ausgezeichnet wurden. Nachdem die Fernsehpreis-Gäste erfahren hatten, dass Ehrenpreisträger Wolfgang Menge Autoren für das wichtigste Glied der TV-Kette hält und dass Heinrich Breloer seine „Manns“ lieber in sämtlichen Einzelkategorien denn pauschal als „Fernsehereignis des Jahres“ ausgezeichnet gesehen hätte, durften sie sich dann doch mit 480 Flaschen Bouvet-Champagner, 120 Kilo Haifisch, 110 Kilo Scampis und 1.500 Nürnberger Würstchen stärken. Noch haben die Finanzämter schließlich nicht bei der ARD zugeschlagen. THORSTEN ZARGES
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