: In Nepal beruhigen sich die Gemüter
Nach der überraschenden Entlassung des Premierministers durch König Gyanendra und dessen Machtübernahme werten die meisten Parteien dies nicht als „Königsputsch“. Doch Gyanendras künftiger Kurs ist noch nicht klar
DELHI taz ■ Hat Nepals König geputscht oder hat er einfach die Regierung entlassen, wie es ihm als Staatsoberhaupt zusteht? Im ersten Schock über die Rede von König Gyanendra am Freitag befürchteten die meisten Parteien eine Rückkehr zur absoluten Monarchie. Doch als Gyanendra am Wochenende die Führer der Parlamentsparteien in den Palast rief, beruhigten sich die Gemüter. Auch die Zeitungen werteten die Entlassung mehrheitlich nicht als Coup, sondern schlossen sich dem König an, der aus einem Verfassungsparagraphen das Recht für einen solchen Schritt abgeleitet hatte.
Die beiden Fraktionen der regierenden Kongresspartei, namentlich jene des abgesetzten Premiers Sher Bahadur Deuba, halten am Vorwurf des Verfassungsbruchs fest. Sie stehen aber selbst nicht mehr auf dem Boden der Verfassung. Denn die im Mai erfolgte Parlamentsauflösung und die Verschiebung der Wahlen entzogen der Regierung die gesetzliche Legitimität und schufen eine Verfassungskrise, die der König jetzt zu lösen suchte. Dies jedenfalls ist die Lesart von Kunda Dixit, Chefredakteur der Wochenzeitung Nepali Times. Und die überwiegend proköniglichen Demonstrationen auf Kathmandus Straßen zeigen, dass dies viele so sehen.
In die Erleichterung über die Absetzung des inkompetenten Deuba mischt sich die bange Frage: Wie wird der König das Problem der maoistischen Bauernrevolte lösen, die seit sechs Jahren anhält und über 5.000 Opfer zählt? Die Abschaffung der Monarchie ist ein Grundforderung der Maoisten. In ihrer Stellungnahme lehnten sie die Machtübernahme des Königs ab und riefen zum Aufstand dagegen auf. Wird auch Gyanendra eine militärische Lösung suchen? Ihm sagt man eine harte Haltung gegenüber den Maoisten nach. Sie deckt sich mit jener der Armee, die mit großer Härte vorgeht. Bisher fehlt aber jeder nennenswerte Erfolg, und Beobachter schöpfen daraus die Hoffnung, dass der König – er war bis vor einem Jahr schließlich ein gewiefter Geschäftsmann – das Gespräch mit den Rebellen suchen wird. BERNARD IMHASLY
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