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Streit um Wehrpflicht

Grüne fordern bei Koalitionsgesprächen Freiwilligenarmee. SPD lenkt im Konflikt um geringere Parlamentskontrolle bei Auslandseinsätzen ein

BERLIN afp/dpa ■ SPD und Grüne haben ihre Koalitionsverhandlungen gestern mit Gesprächen über die Zukunft der Bundeswehr und andere Bereiche der Außen- und Verteidigungspolitik fortgesetzt. „Es wäre wichtig, die Wehrpflicht abzuschaffen“, sagte Grünen-Parteichef Fritz Kuhn im Vorfeld der Beratungen. Kuhn appellierte an seinen Koalitionspartner, zumindest die Vorschläge der Weizsäcker-Kommission stärker umzusetzen. Das Gremium unter Leitung des früheren Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker hatte vor zwei Jahren gefordert, die Zahl der Wehrdienstleistenden auf 30.000 Soldaten zu begrenzen. Die Bundeswehrreform von ExVerteidigungsminister Rudolf Scharping sieht bis zum Jahr 2012 die schrittweise Reduzierung der Zahl der Wehrpflichtigen auf rund 80.000 vor.

Die Jusos forderten beide Koalitionsparteien auf, die Abschaffung der Wehrpflicht zu beschließen. „Wenn nur noch ein Drittel aller jungen Männer eingezogen werden, haben wir keine Wehrgerechtigkeit, sondern eine Wehrpflichtlotterie“, erklärte ihr Vorsitzender Niels Annen in Berlin. Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) solle sich nicht von einer „fantasielosen Generalität“ unter Druck setzen lassen, der „anderweitige Ideen zur Nachwuchsrekrutierung“ fehlten. „Die Wehrpflicht ist dafür in einem modernen Land ein gänzlich ungeeignetes Mittel.“

Mit der Politik der Koalition drohe die „weitere finanzielle, strukturelle und ideologische Demontage der Bundeswehr“, erklärte der außen- und verteidigungspolitische Sprecher der CSU-Landesgruppe, Christian Schmidt. Trotz ständiger Kürzungen im Wehretat übernehme Struck neue internationale Verpflichtungen in Afghanistan, um „die Amerikaner nach der populistischen Wahlkampfschlacht zu beschwichtigen“.

Entgegen ursprünglichen Planungen brachte die SPD nicht die Forderung nach einem so genannten Entsendegesetz für Auslandseinsätze der Bundeswehr in die Verhandlungen ein. Daran hätte sie sich bei den Grünen wohl auch die Zähne ausgebissen. Statt mehr Handlungsspielraum für die Regierung, den ein solches Gesetz bewirken würde, wollen die Grünen mehr Information und Kontrolle für das Parlament.

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