: berliner szenen Friedrichshain-Economy
Schöner Büroschlaf
Auch in Zeiten der Rezession gibt es gute Nachrichten: Die New Economy überlebt in Friedrichshain. Obwohl der Niedergang der Aktienkurse die Masse der Berliner Internet-Unternehmen längst in die Insolvenz getrieben hat, können sich in diesem Bezirk kleine, anpassungsfähige Firmen weiter behaupten. Das einkommensschwächste Gebiet der Stadt bietet Existenzgründungen auch in Zeiten wirtschaftlicher Stagnation günstige Konditionen: Leere Gewerberäume sind in großer Zahl vorhanden, ein Heer von Billiglohnkräften wartet auf Beschäftigung, die Belegschaft wird durch keinerlei äußere Reize von der Arbeit abgelenkt. Kurzum, die Bedingungen für modernen Manchester-Kapitalismus sind nicht schlecht.
Natürlich sollte man flexibel sein. Angehörige der Dienstleistungsgesellschaft wissen das. Dunkle, klamme Büros muss man mögen. Auch weiche Standortfaktoren wie der Naherholungswert umliegender Grünflächen, benachbarte Gastronomien und Supermarktfilialen erfüllen hier allenfalls städtischen Substandard. Trotzdem konnten Mitarbeiter der Firma F. neulich entdecken, dass ihr Chef in den Friedrichshainer Räumlichkeiten des Unternehmens nicht nur arbeitet, sondern in einem hinteren Teil des Flures auch wohnt. So lassen sich weitere Kosten sparen, erklärte er, als ihn seine Kollegen früh am Morgen mit kleinen, blinzelnden Augen und einem aufgewärmten Fertiggericht vor dem Computer-Bildschirm erwischten. Die Firma F. bietet eine spezielle Form der Managementberatung über das Internet an. In ihrem Segment sind sie im deutschsprachigen Raum Marktführer. Im Büro riecht es neuerdings oft nach verbranntem Toastbrot und ein bisschen nach Schlaf.
KIRSTEN KÜPPERS
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