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: Bomben statt Bierwerbung

Von der größten Schlechte-Musik-Sammlung der Welt

Es gibt Menschen, bei denen möchte man nicht mal Postbotin sein. Beim Chef eines großen Münchener Privatsenders zum Beispiel. Wenn man nämlich bei jenem TV-Chef Postbotin wäre, dann müsste man ihm ständig die bestellten CD-Päckchen bringen. Und diese Päckchen würden schmerzen!

Ich weiß das, denn ich habe dem Fernsehfuzzi neulich zugehört, als er bei einer Talk-Radio-Show in Berlin zu Gast war, in der die Gäste ihre Lieblingsplatten mitbringen, quasi eine auf zwei Stunden ausgewälzte „10 Platten für die einsame Insel“-Variante mit persönlichen Erklärungen zwischendrin.

Vorher durfte dort schon Joachim Witt von seiner Vergangenheit als NDW-Idiot schwadronieren, schlimm genug war das, vor allem, weil Witt ganz und gar nicht einsehen wollte, warum das teutonisch-nationale rollende R, das er sich für das Comeback auf seine alten Tage angewohnt hat, denn verwerflich sein könne: Das sei schließlich Theatergewohnheit, habe allein dramaturgische Gründe, und mit Rammstein schon mal überhaupt nix zu tun. Manche Menschen versuchen auch, das Hakenkreuz wieder in seine Tradition als altasiatische Sonnenraddarstellung zu schubsen, nur, weil sie es so hübsch finden. Warum man schlecht gewordene Symbole nicht einfach wegkippt wie schlecht gewordene Milch, ist mir ein Rätsel. Es gibt doch genug ungebrauchte! Aber mich fragt ja keiner.

Der TV-Chef jedenfalls, um die gut erhaltene vierzig und so oft solo, dass auch Bunte-Leser ihn kennen, brachte in die Radiosendung einen Teil seiner CD-Collection: Abertausende Alben müssen es sein, und alle furchtbar. Die größte Schlechte-Musik-Sammlung der Welt, will ich hier mal jetzt forsch behaupten. Wenn man da eine Bombe reinschmisse, träfe man keine Falschen: schlimme 80er Bee-Gees-Stücke, weiße Boogie-Woogie-Grausamkeiten mit so viel Soul wie auf einen Fliegenarsch geht, alles klang wie die Werbung für Köstritzer. Sogar von an sich fähigen Künstlern wie Prince spielte der Fernsehmann treffsicher genau die Stücke, zu denen seit den Spätsiebzigern nach null Uhr nur noch verkrampft lächelnde, extrem unmusikalische Dicke-Hose-Männer tanzen und dabei denken, sie wirkten wie Palominos.

Während der ganzen Sendung überlegte ich mir, wie es wäre, wenn ich jetzt ein übertragbares Erste-Klasse-Ticket nach Dubai fände, oder wo solche High-End-Bosse hinfahren, und dann säße ich zufällig neben ihm, wir kämen über dem Hochland von Anatolien in Turbulenzen und somit ins Gespräch und fänden heraus, dass wir beide das gleiche Hobby haben. Oder eben nicht ganz: Er sammelt schreckliche Platten und ich tolle.

Vielleicht würde unser Gespräch ja unsanft durch die Landung abgebrochen, aber er lüde mich zu sich nach Hause, in das Bazi-Eigenheim ein. Ich, nicht faul und immer für eine Essenseinladung zu haben, fahre also dort hin, sehe die vielen, vielen CD-Regale und freue mich (wenn ich wegen fehlendem Vinyl auch schon medioker alarmiert bin). Der TV-Chef sagt: Okay Jenni, leg doch mal etwas Schönes auf, während ich den marinierten Kalbskopf hole. Und was mache ich dann? Muss mir für solche Fälle eine mitnehmen. Vielleicht die Robert-Mitchum-Calypso-CD. Die passt immer. Hoffe, der TV-Chef lädt mich nicht ein. JENNI ZYLKA