Profitum im sozialistischen Rahmen

Fünf Spieler, die ein Jahrzehnt das Rückgrat von Kubas Baseball-Nationalmannschaft bildeten, wechseln nach Japan

BERLIN taz ■ In Japan genießt Omar Linares Popstarstatus. „Die Lunge Kubas“ wie ihn die Parteizeitung Granma einmal bezeichnete, kennt jeder baseballverrückte Teenager in Japan. Der zurückhaltende Mann, dessen Nationaltrikot die Nummer 10 ziert, ist Aushängeschild des kubanischen Sports. Nicht nur in Japans Profiliga – weltweit, vor allem in den USA, wäre Linares eine Attraktion. Auch mit seinen 34 Jahren gilt der Mann aus Pinar del Río als einer der weltweit besten Spieler an der Third Base. Davon konnten sich seine neuen Mannschaftskollegen von den Chunichi Dragons in Nagoya bereits überzeugen. Für die Profimannschaft hat Linares die ersten Partien absolviert.

Heimlich, still und leise wurde der spektakuläre Transfer von den Altstars selbst eingefädelt. Sie baten nach den Olympischen Spielen von Sydney, wo die Equipe im Finale von den USA mit 4:0 düpiert wurde, um die Freigabe für das Japan-Abenteuer. Daraufhin handelte der nationale Verband Kubas mit dem Japans die Modalitäten aus, über die wiederum Stillschweigen vereinbart wurde. Umsonst wird Omar Linares jedoch sicherlich nicht den Baseballschläger schwingen und ein Teil seines Gehalts wird der Ausnahmekönner auch auf seinem Konto verbuchen können. Das ist der Verband seinem Aushängeschild schuldig, und das Okay von ganz oben dürfte ohnehin kein Problem sein. Kubas oberster Baseballfan Fidel Castro ist am Wohl seiner Cracks durchaus gelegen, sofern alles im sozialistischen Rahmen bleibt. Bei Omar Linares war dies immer der Fall – Millionenofferten hat er lächelnd ausgeschlagen und war damit immer ein leuchtendes Beispiel.

Bei Germán „El Mago“ Mesa sah die Sache anders aus. 1996 wurde er auf Lebenszeit vom Spielbetrieb ausgeschlossen, weil er angeblich Kontakt zu einem US-amerikanischen Spieleragenten hatte. Zwei Jahre später, nach der Flucht des ebenfalls gesperrten Orlando „El Duque“ Hernández, wurde der „Magier“ jedoch begnadigt und durfte wieder die Landesfarben vertreten. Ein Umdenkprozess im kubanischen Baseball hatte eingesetzt – nicht mit Repression, sondern mit besseren Trainingsbedingungen, Dollarprämien und Privilegien wollte man Megastars wie Mesa und Linares zuhause halten. Bei den Älteren, zu denen auch Orestes Kindelán, Antonio Pacheco und Luis Ulacia gehören, hatte man damit Erfolg – bei den Jüngeren weniger. Die wollten sich wie Andy Morales, der die Nationalequipe kurz vor Olympia gen USA verließ, mit den Besten in der Major League Baseball messen.

Pacheco, Kindelán und Ulacia gehören ebenfalls zur Japanreisegruppe der verdienten Altstars. Kindelán, mit 487 Homeruns der Barry Bonds der kubanischen Liga, verstärkt gemeinsam mit Second-Base-Legende Antonio Pacheco die Mannschaft von Shidax in der japanischen Hauptstadt. In Santiago, dem Heimatclub der beiden, werden die Cracks schon schmerzlich vermisst. Der Abomeister aus dem Osten der Insel tut sich schwer ohne sie.

Germán Mesa und Luis Ulacia haben ihre Schläger in die Ecke gestellt. Sie sind als Trainer verpflichtet worden und sollen dem japanischen Nachwuchs die Geheimnisse der kubanischen Schule beibringen. Damit erfüllt sich für Germán Mesa ein alter Traum – er tritt auf dem Zenit seiner Spielstärke ab. Nie wollte der ehemals weltbeste Short Stop von sich sagen lassen „der Mesa bringt es nicht mehr“. Seine aktive Karriere hat der klein gewachsene Mann mit dem WM-Titel im letzten Jahr gekrönt. Im Finale nahmen die alten Helden Revanche für die „Schmach von Sydney“.

Gegen die nahezu identische US-Mannschaft schlug Mesa den Ball wie zu seinen besten Zeiten und führte die Mannschaft gemeinsam mit Teamkapitän Pacheco zum 5:3-Erfolg. Damit hatten die Kubaner wieder einmal bewiesen, dass sie auch mit Profimannschaften mithalten können. Ein zusätzlicher Titel auf der Visitenkarte, den Linares, Mesa und Co. in Japan nicht mehr benötigt hätten, der ihnen aber den einen oder anderen zusätzlichen Dollar aufs Konto spülen wird. KNUT HENKEL