: kultur des individuums
Imre Kertész, Zeuge als Literat
Imre Kertész ist der erste Ungar, der den Nobelpreis für Literatur erhält. Die Schwedische Akademie in Stockholm begründete ihre Entscheidung damit, dass der 72-jährige Holocaust-Überlebende in seinem Werk „die zerbrechliche Erfahrung des Einzelnen gegenüber der barbarischen Willkür der Geschichte behauptet“. Als sein Hauptwerk gilt der „Roman eines Schicksallosen“ (1975). Kertész war 1944 als 15-Jähriger nach Auschwitz deportiert worden und wurde ein Jahr später aus dem Konzentrationslager Buchenwald befreit. Der Sekretär der Schwedischen Akademie, Horace Engdahl, sagte über die Hintergründe der Entscheidung: „Kertész steht für die Zeugnisliteratur, in deren Mittelpunkt die Absicht steht, Zeugnis abzulegen über ein Geschehen, an das die Erinnerung nicht verloren gehen darf.“ Bei Kertész gehe es nicht nur um die Erlebnisse im Konzentrationslager, sondern auch darum, dass das „Individuum in unserer Zeit überflüssig gemacht worden ist.“ Engdahl sagte weiter: „Kertész legt Zeugnis ab als Überlebender einer alten, überkommenen Kultur von Individuen.“ Der hervorragend Deutsch sprechende Kertész erfuhr von der Auszeichnung in Berlin, wo er am Vorabend bereits mit dem Hans-Sahl-Preis ausgezeichnet worden war. Er sagte: „Das ist eine große Anerkennung für mich und bedeutet vielleicht auch, dass ich jetzt ein etwas ruhigeres Leben führen kann, jedenfalls finanziell, ich bin jetzt in Sicherheit, jedenfalls in dieser Hinsicht.“ Der Ungar schreibt derzeit am Berliner Wissenschaftskolleg an seinem neuen Roman und erklärte weiter: „Es ist für mich sehr interessant, dass ich diesen Preis mit meiner Holocaust- und Anti-Diktatur-Literatur bekommen habe. Das bedeutet vielleicht auch etwas Erzieherisches für die osteuropäischen Staaten überhaupt.“ DPA
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