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„Man muss die Steuerbasis verbreitern“

Der Volkswirtschaftler Viktor Steiner fordert, Erwartungen der Bürger nicht erst zu wecken, um sie dann zu enttäuschen

taz: Herr Steiner, es fehlen mindestens zehn Milliarden Euro im Bundeshaushalt. Sollte Rot-Grün nicht einfach auf die zweite und dritte Entlastungsstufe der Steuerreform verzichten?

Viktor Steiner: Nein. Die Steuerbelastung war und ist zu hoch. Außerdem darf man nicht erst Erwartungen bei den Bürgern wecken und sie dann enttäuschen.

Aber bei der Körperschaftssteuer denkt Rot-Grün schon über eine Reform der Reform nach.

Das ist eine unglückliche Diskussion. Zwar zahlen die großen Firmen kaum noch Steuern – aber wir wissen nicht, warum. Liegt es an der Konjunktur, am Börsencrash, sind es Übergangsprobleme? Jedenfalls sollte man nicht vergessen, warum es die Reform der Unternehmenssteuern überhaupt gab: Man wollte Deutschland effizienter machen.

Bleiben aber die Defizite …

… deswegen muss man die Steuerbasis verbreitern.

Wie?

Indem man alle Ausnahmen streicht. Zum Beispiel die Steuerfreiheit bei Feiertags- und Nachtschichtzulagen.

Ist das fair? Krankenschwestern und Bäcker gehören doch sowieso schon zu den Geringverdienern.

Eben. Schichtarbeit stresst, unbestritten. Aber dies muss sich in höheren Löhnen niederschlagen. Faktisch subventioniert der Staat durch seine Steuerbefreiungen die Arbeitgeber.

Diese Subventionen sind aber heilig für die SPD.

Um gleich noch eine heilige Kuh zu schlachten: Auch die Entfernungspauschale sollte komplett abgeschafft werden.

Dagegen steht ein Kanzlerwort.

Trotzdem ist diese Subvention völlig unbegründet. Wer am Stadtrand wohnt, hat zwar höhere Fahrtkosten, kann aber auch billiger bauen. Letztlich wird nur die Zersiedelung gefördert.

Immerhin soll ja die Eigenheimzulage gekappt werden.

Zu Recht. Es gibt schon jetzt Überkapazitäten auf dem Wohnungsmarkt – und die müssen abgebaut werden. Es kommt ja auch niemand auf die Idee, den Kauf eines Kühlschranks zu subventionieren.

Sie sind also ganz zufrieden damit?

Eigentlich müsste man die Eigenheimzulage komplett streichen. Vor allem aber ist es völlig unsystematisch und ineffizient, dass es eine Kinderzulage gibt.

Wieso?

Wenn man Kinder fördern will, dann soll man das tun. Aber es ist Unsinn, dieses Ziel an Förderinstrumente wie die Eigenheimzulage zu koppeln. Denn dann gehen alle Familien leer aus, die kein Wohneigentum kaufen wollen. Zudem profitiert am meisten, wer auf dem Land lebt, wo die Häuser billiger sind. Dies kann aber nicht Staatsziel sein.

Bisher wurde auch die Ehe subventioniert. Was halten Sie von dem grünen Modell, das Ehegattensplitting für Besserverdienende abzuschmelzen?

Nichts. Jede Grenzziehung ist willkürlich; wieder schafft man unsystematische Ausnahmen für bestimmte Gruppen. Ein Alleinverdiener mit einem Jahreseinkommen von 45.000 Euro müsste plötzlich mehr Steuern zahlen – aber sein Kollege, der 44.000 Euro verdient, hätte keine Nachteile. Für die betroffenen Haushalte würde der Grenzsteuersatz steigen.

Soll das Ehegattensplitting bleiben wie gehabt?

Das kann man bedauern, aber es ist die logische Konsequenz unseres progressiven Steuersystems.

INTERVIEW: ULRIKE HERRMANN

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