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„Nicht gut für uns“

Regierungsrhetorik, Kriegspläne und die Selbstabschaffung der Linken: Wie der Schriftsteller Richard Ford versucht, nicht zum Zyniker zu werden

Interview WERNER BLOCH

taz: Herr Ford, lässt sich ein Krieg gegen den Irak noch verhindern?

Richard Ford: Ich glaube, dass der Irakkrieg noch abgewendet werden kann. Meine Intuition sagt mir, dass, sieht man einmal von Dick Cheney ab, der Präsident nicht den Mut für einen Krieg gegen den Irak hat. Diese ganzen Kriegsvorbereitungen und diese Versuche, im Kongress einen Konsens herzustellen, dass Bush die Leute auf den Kopf schlägt , um sie auf Linie zu bringen – all das lässt mich vermuten, dass, wenn er die Leute erst einmal auf Linie gebracht hat, er dann den Krieg gegen den Irak überhaupt nicht mehr braucht.

Das klingt sehr optimistisch …

Richtig. Aber anders zu denken würde bedeuten, dass ich zum Zyniker werden müsste, nicht nur gegenüber dem Präsidenten, dem zynisch gegenüberzutreten ich durchaus bereit bin, sondern auch zynisch zu sein gegenüber meinem Land, und dazu bin ich nicht willens. Sollten sich die USA tatsächlich brachial gegen die UNO durchsetzen, die natürlichen Debatten zwischen den Nationen unterbinden und das als ihre Sicherheitspolitik verstehen, möchte ich nicht mehr in Amerika leben.

Verfügen Schriftsteller in den USA überhaupt über genügend Macht und Einfluss, um bei solchen Themen mitzureden?

Die Politik ist so kompliziert geworden, dass das, was ein Schriftsteller über die amerikanische Politik sagen kann, beinahe unerheblich erscheint. Und das war immer so. Schriftsteller oder Autoren, die sich mit Kultur beschäftigen, haben keine Stimme in Amerika. Selbst wenn ich für die politische Meinungsseite der New York Times schreibe, habe ich das Gefühl, dass nichts passiert und dass mir höchstens der eine oder andere über den Kopf streichelt.

Wo bleibt das Engagement der Intellektuellen? Können sie keine Gegenöffentlichkeit bilden gegenüber der Regierungsrhetorik?

Der Sinn für das Engagement unter amerikanischen Schriftstellern und Literaten ist völlig erodiert. Die Idee einer engagierten Bürgerschaft, die sich etwa über den ganzen Kontinent erstreckt, die Idee eines Engagements, bei dem die Menschen in Utah verstehen, was in Washington vor sich geht, obwohl die meisten von ihnen noch nicht einmal in Washington waren, erscheinen mir ziemlich weit hergeholt.

Es gibt ja einen Grund, weshalb sich die Opposition gegenüber der Regierung immer extrem loyal verhält. Das hängt mit der politischen Kultur in Amerika zusammen. Der größte Teil der Bevölkerung ist zu sehr damit beschäftigt, Geld zu verdienen oder sich ein neues Auto zu kaufen oder ein Paar Turnschuhe, um sich für die Arbeit der Regierung zu interessieren. Wir wählen Volksvertreter, um die Regierungsgeschäfte vier Jahre lang zu führen, und dann bekommen andere Leute den Job. Weil wir uns im Prinzip überhaupt nicht für Politik interessieren.

Zugleich aber misstrauen die Leute der Regierung extrem. Es liegt also eine Art Perversität darin, wie die amerikanische Regierung arbeitet: Wir wählen sie und misstrauen ihr. Wir gehen auf Distanz und wir vertrauen ihr doch unsere Bürgerrechte an, im Namen einer kommerziellen Gesellschaft, eines freien Marktes, in dem die Leute so viel Geld wie irgend möglich verdienen wollen.

In Deutschland bittet Schröder immer wieder Schriftsteller und Intellektuelle zu sich auf die Couch. Wie würden Sie reagieren, wenn Sie und vielleicht Ihr Kollege DeLillo ins Weiße Haus eingeladen würden?

Das ist unmöglich. Ihr Szenario ist undenkbar, schon deshalb, weil Bush gar keine Schriftsteller kennt. Und sollte ich tatsächlich eingeladen werden, würde ich nicht hingehen, um Bush nicht zu unterstützen.

Denken Sie an die markige Parole: Wer nicht für uns ist, ist gegen uns.

Diese Regierungsrhetorik von Gut und Böse ist bedauerlich, denn sie entwertet die Sprache. Die Schwarzweißrhetorik entspricht aber ganz normaler Verfahrensweise der amerikanischen Regierung: Man gibt eine extrem polarisierende Sprache aus, doch in Wirklichkeit werden zwischen den Parteien längst Kompromisse ausgehandelt, finden geheime Treffen und Absprachen statt – doch das Volk soll nichts davon erfahren. Es ist, als hätten der Präsident oder der Kongress Angst, uns zu sagen, was wirklich passiert. All das ist überhaupt nicht gut für uns.

Wo steht die amerikanische Linke?

Die amerikanische Linke will sich in immer kleinere Stücke zerreißen, damit ihre eigenen, egoistischen intellektuellen Anliegen bevorzugt werden. Es gibt keinen Geist des Kompromisses. Die amerikanische Linke bleibt lieber am Rand, als sich mit anderen zu verbünden. Deshalb sind die amerikanischen Grünen absolut nichts wert. Weil sie sich nicht mit den Demokraten verbünden, um einen so furchtbaren Mann wie Bush aus dem Amt herauszuhalten. Genau das haben die Republikaner den Demokraten voraus. Die Republikaner sagen: Für das höhere Wohl – was immer das sein mag – gehen wir mit jedem ins Bett.

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