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Nein zu Schills Lauschangriff

Protest in Hamburg gegen neues Verfassungsschutzgesetz. Ärzte, Anwälte, Priester und Journalisten wollen sich nicht abhören lassen. Nun hat auch die FDP Skrupel bekommen

HAMBURG taz ■ Hamburgs Innensenator Ronald Schill hat es sich jetzt auch mit bisher befreundeten Mächten verdorben. Bild-Chefredakteur Kai Diekmann nennt Schills neuesten Vorstoß einen „Akt der Barbarei“, und der Chef der Hamburg-Redaktion der Welt, Carsten Erdmann, sieht gar die Grundrechte gefährdet.

Es ist der Entwurf für ein neues Hamburger Verfassungsschutzgesetz, der die hohen Herren des Springer-Verlages so empört. Die Senatspläne haben nicht nur sämtliche Medien der Stadt gegen Schill aufgebracht. Auch Kirchen, Gewerkschaften, Anwaltsverbände und Ärztekammer machen gegen den Entwurf Front. Sie alle gehören zu denen, die nach In-Kraft-Treten des Gesetzes abgehört werden könnten.

Die Gesetzesnovelle aus der Innenbehörde sieht weit reichende Verschärfungen vor. Danach soll es dem Landes-Verfassungsschutz erlaubt werden, auch ohne konkreten Tatverdacht Menschen zu überwachen sowie ihre Dienst- und Privaträume mit Wanzen und Kameras zu kontrollieren. Dies soll auch für Berufsgruppen gelten, die ein Recht oder eine Pflicht zu schweigen haben: Mediziner, Pastoren, Anwälte und Journalisten sollen belauscht werden, wenn es Anhaltspunkte gebe, dass sie Kontakt zu möglicherweise verdächtigen Personen haben könnten. Vorschriften, die weit über das neue rot-grüne Gesetz für den Verfassungsschutz hinaus gehen, das schon erhebliche Verschärfungen enthält.

An der geplanten Hamburger Umsetzung haben bereits der Datenschutzbeauftragte sowie SPD und GAL heftige Kritik geübt. Jetzt lassen auch immer mehr Verbände kein gutes Haar an der Novelle, die am nächsten Dienstag erstmals öffentlich vor dem Rechtsausschuss der Bürgerschaft beraten werden soll. Während Stern-Chefredakteur Andreas Petzold von dem „dreistesten Angriff auf die Pressefreiheit seit der Spiegel-Affäre 1962“ spricht, haben sich die Verbände der Journalisten, Anwälte, Ärzte und die Kirchen zu einer Allianz gegen das Gesetz zusammengetan. Es gehe hier nicht um Partikularinteressen einzelner Berufsgruppen, betont zum Beispiel der Präsident der Hanseatischen Ärztekammer, Frank-Ulrich Montgomery, „hier geht es um elementare Bürger- und Menschenrechte“. Und die Bischöfin der Nordelbisch-Evangelischen Kirche, Maria Jepsen, nennt die Senatspläne einen Angriff auf „den Kernbereich der verfassungsrechtlich geschützten Religionsausübung“.

In der Hamburger Koalition aus CDU, Schill-Partei und FDP sehen die Liberalen nun ihre Chance, sich zu profilieren. Die Fraktionsspitze lehnt den Entwurf in der jetzigen Form ebenso ab wie der Landesverband. Die Jungliberalen verliehen Schill den „Big Brother Award“.

Den für den Gesetzentwurf maßgeblich Verantwortlichen, Schills Innenstaatsrat Walter Wellinghausen, beeindruckt das bisher nicht. Wellinghausen, der zurzeit zu „Gesprächen über Terrorismusbekämpfung“ in den USA weilt, ließ mitteilen, er stehe zwar „Verbesserungsvorschlägen offen gegenüber“. Allerdings reagiere man in den USA, so der Staatsrat, „mit Kopfschütteln auf den Parteienstreit gerade in dieser Stadt über die Bekämpfung des internationalen Terrorismus“. P. AHRENS/S.-M. VEIT

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