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Engagement verhindert Endlager

Der Arbeitskreis Auswahlverfahren Atom-Endlagerstandorte (AkEnd) stellt seine Empfehlung vor. Darin werden gesellschaftswissenschaftliche und geowissenschaftliche Eignungskriterien gleichgewichtig behandelt

aus Berlin NICK REIMER

Wege zur Endlagerung – unter dieser Überschrift stellt der Arbeitskreis AkEnd an diesem Wochenende das von ihm konzipierte Auswahlverfahren zur Standortsuche eines Atommüllendlagers vor. Neu am Verfahren ist: Gesellschafts- und geowissenschaftliche Eignungskriterien werden erstmals gleichgewichtig behandelt. Der Arbeitskreis fungiert als vom Bundesumweltministerium berufenes Beratungsgremium.

Die geowissenschaftlichen Kriterien sind nicht wesentlich neu. Der AkEnd hält ein untertägiges Endlager für das sicherste – in Tiefen zwischen 300 und 1.500 Meter. Basalt, Granit, Salz – ausdrücklich offen lassen die Experten die Art des Gesteins. „Aus dem Verfahren ausscheiden werden dann die Gebiete, die den Mindestanforderungen nicht genügen – etwa wegen Seismik, Störungspotenzialen im Deckengebirge oder wegen ungeeigneter Materialien“, so der Endlagerspezialist Wernt Brewitz.

Den sozialwissenschaftlichen Kriterien, die bei der Standortsuche einbezogen werden, wird ebenfalls auschließende Wirkung zugbilligt. So soll viel Engagement belohnt werden: „Wenn sich viele Menschen einer Region in die Debatte einbringen, Fachleute befragen, hart abwägen und letztlich Nein zum Endlager sagen, dann muss das zählen“, sagt der Sozialwissenschaftler Detlef Ipsen. Andererseits soll die Region, die letztlich das Endlager beherbergt, auch etwas davon haben: „Wir schlagen einen Fonds vor, der die wirtschafliche und kulturelle Entwicklung der Region langfristig fördert“, so Ipsen. Schließlich sei der Atommüll nicht von der Region produziert, „sondern der des ganzen Landes“. Hinzu kommen planungswissenschaftliche Ausschlusskriterien. „Wo ein Natur- oder Wasserschutzgebiet ist, kann kein Endlager gebaut werden“, sagt Ipsen. Es solleine sozioökonomische Potenzanalyse für jene Regionen geben, die in die engere Wahl kommen. Welche Auswirkung hat das Endlager auf Arbeits- und Wohnungsmarkt, Image und Wirtschaftsentwicklung. Ipsen: „Kommt diese Analyse zu klaren negativen Tendenzen, ist die Region von der Standortsuche auszuschließen.“

Soweit die Kriterien. Hier das Verfahren: Schritt eins war die Arbeit des AkEnd selbst: der Verfahrensvorschlag. Den soll die Gesellschaft jetzt in Schritt zwei beurteilen: Ist das, was der AkEnd erarbeitet hat, gerecht, logisch, zweckmäßig. Änderungen sollen formuliert und dann von der Politik mit Getzeskraft legitimiert werden. Im dritten Schritt soll die Bundesrepublik rasterartig nach den Gebieten ausgewiesen werden, die dann nach den Kriterien bewertet werden sollen. Paralell dazu sollen sich Bürgerforen gründen, die die Debatte in der Region gestalten. „Diese Foren sollen sich frei zusammensetzen. Wir beabsichtigen lediglich finanzielle Mittel bereitzustellen, damit sich die Menschen den Sachverstand ihrer Wahl zuziehen können“, so Ipsen. Im Ergebnis soll das Bürgerforum eine Empfehlung an die Kommunalvertreter formulieren: Sie akzeptieren – oder eben nicht.

Tagung unter: www.akend.de

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