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Kennt man, will man

Lukas Langhoff inszeniert am Bremer Theater den Liederabend „All Inclusive“. Mit dabei: Sonne, Meer, Sex, ein Schutzengel und J.S. Bach

Langhoff: „Als Individualtourist habe ich einfach keinen Spaß“

Individualtourismus ist out. Clubreisen sind in. „Ist doch scheiße, das ganze Auto voll Sand, die Kinder quengeln, während die Eltern mit den Eingeborenen ins Gespräch kommen wollen. Dann wird das Auto geklaut und die Kinder finden keine Spielgefährten.“ Lukas Langhoff (38), Regisseur des Liederabends „All Inclusive“ am Bremer Theater, versteht was vom „richtig Reisen“. Club Med, vier Sterne, Kinderbetreuung. „Als Individualtourist habe ich einfach keinen Spaß.“

Bei Langhoff kommen die Rucksackromantiker und Kulturenversteher gar nicht erst rein in seinen Club. Dafür jede Menge Menschlichkeiten. Ein Tag Club-Atmosphäre im Schauspielhaus. Und alles dabei: Sonne, Meer, Musik, Sex und Klappstühle. „All Inclusive“ ist kein klassischer Liederabend, bei dem die Lieder dem Publikum präsentiert werden, verspricht Dramaturg Helge-Björn Meyer. „Die Zuschauer sehen den Clubtouristen durch die vierte Wand zu.“

Die Grundidee von „All Inclusive“ war die Erarbeitung eines Urlaubstages zusammen mit den Schauspielern. „Der Schauspieler ist auch als Mensch in seiner Biographie interessant“, meint Langhoff. Er will ganz nah ran ans Individuum Schauspieler. „Was man selbst nicht kennt, wird auch nicht inszeniert.“ Also geht’s um den Alltag im Urlaub: Den morgendlichen Kampf um die Klappstühle zum Beispiel. Hat jeder erlebt. Oder das sehnsuchtsvolle Hoffen als Single im Urlaub auf eine heiße Nacht. Kennt man, will man.

Lustiges Gemenschel mit viel Musik: Von „Was hat dich bloß so ruiniert“ von den Sternen bis zu Bachs „Ave Maria“ reicht das Repertiore des Abends. Dabei haben die teilweise neu interpretierten Songs Dialogcharakter. Es wird angebaggert mit „Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt“ und mit „Uschi mach keinen Quatsch“ geantwortet. „Wir überprüfen die inhaltliche Stärke der Songs“. Langhoff will nicht parodieren, er will aus bekannten Songs Neues rauskitzeln. Dabei entdeckt er den Alltag. Den skurrilen Alltag.

„All Inclusive“ ist nach „Sucking Dublin“ von Enda Walsh die zweite Arbeit von Langhoff am Bremer Theater. Der Sohn von Thomas Langhoff hat Berlin den Rücken gekehrt. „Berlin fährt eine verwichste Politik“, wettert der Theatertischler und Tontechniker. Was nicht zuletzt daran liegt, dass er den Rausschmiss seines Vaters, 2001 am Deutschen Theater, als tiefe Verletzung erlebt hat.

„Mit dem Namen Langhoff in Berlin aufzulaufen, kannste gleich vergessen.“ 1993 ist er nach einer Regieassistenz an der Berliner Volksbühne bei Castorf, Kresnik und Schlingensief nach Leipzig, Göttingen und Magdeburg gegangen, um Gegenwartsstücke zu inszenieren. Schließlich hat ihn Bremen entdeckt. Und da fühlt er sich wohl. „Bremen ist extrem interessiert und emotional. Bremen ist unheimlich produktiv.“ Als seine nächste hiesige Arbeit ist „Better Days“ von Richard Dresser geplant.

Auch wenn „All Inclusive“ das Boulevard-Stück der Spielzeit ist, die politische Wirklichkeit kann Langhoff nicht ganz aus seinem Ferienclub aussperren. Der Terroranschlag auf Bali platzte mitten in die Proben. „Man kann ja nicht abschalten und sagen, so jetzt machen wir einen lustigen Liederabend. Das geht irgendwie nicht.“ So muss der Engel ins Stück gekommen sein. Ein Schutzengel, der über die Feriengäste wacht.

Ein Abend aus persönlichen Eindrücken, in dem sich der Zuschauer wiederfinden soll. Und wenn Andreas Herrmann den „kleinen Trompeter“ singt und dabei Minigolf spielt, dann erkennen wir ein bisschen Langhoff, wie er dem Sozialismus nachweint. Das kann man dann traurig finden. Oder ablachen. Alles inklusive. Hannes Krug

Premiere am Donnerstag, 24.10., 20 Uhr im Schauspielhaus. Nächste Vorstellungen: 26.10. und 2.11.

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