: Vier Millionen Pechvögel
betr.: „Zur Kasse, Deutschland“ von Ulrike Herrmann, taz vom 16. 10. 02
Auch ein Berliner Blähkabinett mit weniger MinisterInnen bei größeren Aufgabenbereichen kann trotz Schönrederei kaum darüber hinwegtäuschen, dass hier statt Kostensenkung horrende Geldverschwenung wie immer stattfindet. Es wird eben niemand auf die Idee kommen, seine schönen Privilegien einfach fahren zu lassen. EU-Kriterien hin – „blaue Briefe“ her: Satte Diäten, tausend Sondervergünstigungen und -vergütungen werden wie eh und je das Regieren versüßen.
Grausamkeiten werden immer nur den Anderen, den Regierten, dem Volk aufgebürdet. […] Wie es sich gehört, hat sich das Volk gefälligst zu fügen und notfalls zu darben. […] Dieses Zeitalter nennt sich „Moderne“ oder „Postmoderne“, was wohl bedeuten soll, dass es nach der Ära Kohl noch immer hochmodern ist, besonders die Armutsbevölkerung für die Riesenlöcher im Staatshaushalt büßen zu lassen. Wie im Mittelalter zu Zeiten der Inquisition wird zwecks Feststellung der Schuldfrage und der dann anzuwendenden peinlichen Befragung per Sonderkommission die Art der Bestrafung festgelegt. Denn mit Hilfe der entsprechenden Institutionen sind die über vier Millionen Pechvögel erst mal als „arbeitsunwillige Sozialschmarotzer“ zu behandeln.
WIELAND VON HODENBERG, Bremen
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