: Bananenrepublik oder Revolution
Bei den Präsidentenwahlen in Ecuador kommen ein linker Putschmilitär und ein Bananenbaron in die Stichwahl
BUENOS AIRES taz ■ Knapper hätte die Präsidentenwahl in Ecuador kaum ausgehen können. Nach Auszählung von etwa drei Viertel der Stimmen entfielen auf den linken Militär Lucio Gutiérrez 19,5 Prozent der Stimmen, der Milliardär Álvaro Noboa kam auf 17,6 Prozent der Stimmen. Damit kommt es zwischen den beiden Kandidaten am 24. November zur Stichwahl.
Aber auch die Dritt- und Viertplatzierten verpassten den Einzug in die zweite Runde nur knapp. Der gemäßigte Sozialist León Roldós kommt mit 15,86 Prozent der Stimmen nahe an das Führungsduo heran. Und der sozialdemokratische Expräsident Rodrigo Borja, eigentlich einer der Favoriten, schaffte es auf 14,31 Prozent.
Es wird den beiden Unterlegenen schwer fallen, im zweiten Wahlgang eine Empfehlung auszusprechen, wenn es heißt Putschmilitär gegen Bananenbaron. Denn gewonnen hat der Populismus in Ecuador.
Für Noboa ist es nicht der erste Versuch, Präsident zu werden. Bereits 1998 ist er bei den Wahlen angetreten und gescheitert. Die vergangenen vier Jahre hat der Bananenproduzent dazu benutzt, sich warm zu laufen für die Präsidentenwahlen. Im Wahlkampf verkaufte sich der reichste Mann Ecuadors, dessen Guthaben auf 1,2 Milliarden Dollar geschätzt wird, als Freund der Armen. Mit dem Scheckbuch zog der Bananenbaron durchs Land und verteilte großzügig Spendengelder für soziale Zwecke. Immer wieder tauchte in seinen Wahlreden ein Satz auf: „Ich liebe die Arbeiter von Los Alamos.“
Doch mit dieser Liebe kann es nicht allzu weit her sein. Los Alamos ist eine der Bananenfarmen Noboas, und dort herrschen skandalöse Zustände. Erst kürzlich hat die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch einen Bericht veröffentlicht, demzufolge in Los Alamos 10- bis 14-jährige Kinder auf den Plantagen schuften, oft ohne dafür auch nur einen Cent zu bekommen. Als die Arbeiter von Los Alamos eine Gewerkschaft gründeten, ließ die Farmleitung 126 von ihnen feuern. Ein Streik gegen die Entlassungen wurde mit brutaler Gewalt niedergeschlagen.
Dem Kampf gegen diese Zustände hat sich Noboas Gegner in der zweiten Runde, Lucio Gutiérrez, verschrieben. Stets tritt er kämpferisch mit einer olivgrünen Uniformjacke der Armee auf. Im Jahr 2000 war er es, der noch in Armeediensten als Oberst den Aufstand von Indígenas gegen den damaligen Präsidenten Jamil Mahuad anführte. Mahuad musste zwar abtreten, doch der Rebellion aus Soldaten und Ureinwohnern wurde der Wind aus den Segeln genommen. Ohne Neuwahlen auszurufen wurde flugs der bisherige Vizepräsident Gustavo Noboa eingesetzt, ein Namensvetter Álvaro Noboas, der mit diesem jedoch nichts zu tun hat.
Gustavo Noboa schaffte kurze Zeit später die Landeswährung ab und führte den Dollar als offizielles Zahlungsmittel ein. Damit gelang es ihm zwar, die Inflation zu beseitigen. Doch wichtige Sektoren der vom Export lebenden Wirtschaft wurden damit abgewürgt. Ergebnis: Die Handelsbilanz liegt mit 1,5 Milliarden Dollar im Minus, die Auslandsverschuldung ist bei 13,5 Milliarden Euro angekommen, Zinsen und Tilgung verschlingen in diesem Jahr 44 Prozent des Staatshaushalts. Inzwischen schätzen die Vereinten Nationen, dass 80 Prozent der Ecuadorianer unterhalb der Armutsgrenze leben.
Die Wirtschaft wieder auf Kurs zu bringen und die Armut zu bekämpfen, sind die wichtigsten Aufgaben des nächsten Präsidenten des Landes. Doch dazu muss er gleich zu Amtsbeginn mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) ein Abkommen auf den Weg bringen. Mehrere Millionen US-Dollar Finanzhilfe vom IWF liegen derzeit auf Eis, weil der scheidende Präsident Noboa sich strikt geweigert hatte, ein von Washington vorgeschlagenes Sparprogramm durchzuziehen. Dieses hätte eine Kürzung der Beamtengehälter und eine Anhebung der Strom- und Lebensmittelpreise bewirkt.
Und das hätte Noboa politisch nicht überlebt. Im Jahr 1996 warfen die Ecuadorianer Abdalá Bucaram aus dem Amt, wegen „geistiger Unzulänglichkeit“. Zwei Jahre später wurde Jamil Mauhad aus dem Präsidentenpalast gejagt, weil er bei der Armutsbekämpfung nicht vom Fleck kam. Damit haben die letzten beiden regulär gewählten Präsidenten ihre Amtszeit nicht beendet. 34 Prozent der Wahlberechtigten blieben trotz Wahlpflicht dem Urnengang fern. Damit ist sicher: Der nächste Präsident Ecuadors kann sich wenig erlauben. Und er hat wenig Zeit.
INGO MALCHER
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