: Die Bahn will ihre Schiffe loswerden
Der Anteil an der Scandlines-Fähre soll verkauft werden, angeblich um Bahn-Schulden zu tilgen. Möglicher Käufer: das dänische Transportministerium, das die Hälfte der Anteile besitzt. Beschäftigte wenden sich empört an den Bundeskanzler
von KATHARINA KOUFEN
Tag für Tag verlässt rund um die Ostsee mehr als vierhundertmal ein Schiff mit der Aufschrift Scandlines den Hafen. Es nimmt seinen Weg über das Meer und steuert Sassnitz auf Rügen, Puttgarden, Kiel oder Rostock an. Oder einen Ostseehafen in Dänemark, Schweden, Litauen,Lettland.
An die 20 Millionen Menschen werden bis Ende des Jahres mit einer Scandline-Fähre gereist sein und mehr als drei Millionen Autos. Noch im Sommer freute sich Finanzvorstand Axel Betram über „ein beachtliches Ergebnis“ und die Markführerschaft auf der Ostsee. Doch nun ist die Zukunft der deutsch-dänischen Reederei ungewiss.
Die Deutsche Bahn, der die Reederei zur Hälfte gehört, denkt über den Verkauf ihres Anteils nach. Bahn-Sprecherin Stella Pechmann bestätigte, es gebe „Gespräche zur Zukunft der Reederei“, wollte aber keine Einzelheiten nennen. Als möglicher Käufer gilt das dänische Transportministerium, das bereits die andere Hälfte der Scandlines-Anteile hält.
Auch über die Gründe für den möglichen Verkauf äußerte sich die Bahn bisher nicht. In Fachkreisen wird aber spekuliert, dass die Bahn mit dem Erlös ihren Schuldenberg verringern möchte. Für die Übernahme des Telekom-Konkurrenten Arcor und des Transportkonzerns Stinnes hat die Bahn zusätzliche Kredite aufgenommen, was ihre Verbindlichkeiten auf über zehn Milliarden Euro erhöht hat – deutlich mehr als in der Finanzplanung vorgesehen.
Über die „Nichtinformationspolitik“ der Bahn ist der Betriebsrat des Fähruntnehmens empört. Die Beschäftigten hätten sich deshalb mit einem Brief an den Bundeskanzler gewandt „und um Aufklärung gebeten“, so Betriebsrat Detlef Kobro. Immerhin gehe es um 1.100 Arbeitsplätze. Dass diese auf dem Spiel stünden, hält Scandlines-Sprecherin Martina Golla-Paap allerdings für „völlig an den Haaren herbeigezogen“.
Vor vier Jahren ist das deutsch-dänische Unternehmen aus der Fusion der Deutschen Fährgesellschaft Ostsee (DFO) und der Scandlines Danmark AS hervorgegangen. Die DFO hatte bis dahin zu hundert Prozent der Deutschen Bahn gehört, „und am liebsten hätten wir gehabt, dass das wieder so wird“, sagt Betriebsrat Kobro. Seiner Meinung nach hat die Zusammenarbeit zwischen den Deutschen und den Dänen nicht richtig geklappt, „so oft, wie die Vorstände gewechselt haben“.
Dass die Fusion bis Jahresende wieder aufgelöst werden soll, steht schon länger fest. Nun geht es um die Frage, ob sich für den deutschen Teil ein neuer Käufer findet oder ob das Gesamtunternehmen dänisch wird. So oder so will Scandlines „weiterwachsen“, wie Finanzvorstand Betram im August verkündete. Das Unternehmen macht mehr als 400 Millionen Euro Umsatz, erzielte vorletztes Jahr einen Gewinn von 21 Millionen Euro und hat die Belegung seiner Schiffe in den letzten Monaten um zwei Prozent gesteigert. Derzeit werde geprüft, ob der zurzeit aus fünf Linien bestehende Baltikum-Verkehr ausgebaut werden kann.
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