„Gesunde Kinder copulirter Eltern“

Hamburgs älteste Kindertagesstätte feiert 150-jähriges Jubiläum: In der „Kinderbewahr-Anstalt“ gab es früher Brot- und Wassersuppe für Ältere und eingeweichten Zwieback für die Kleinen. Alles „in luftigen Räumen“ und im Sommer „bei günstiger Witterung auch im Garten“

„Des Morgens wird jedes Kind, das gebracht wird, sorgfältig gewaschen und mit der Kleidung der Anstalt versehen.“ So beginnt 1852 ein Kita-Tag in Hamburg. Ab sechs Uhr morgens konnten „unbemittelte Witwen“ und verheiratete Frauen, die für den Lebensunterhalt der Familie mitarbeiten mussten, ihre Kleinkinder in der Kinderkrippe im Kohlhöfen abliefern, die damals noch „Kinderbewahr-Anstalt“ hieß. Zu den Mahlzeiten bekamen die kleinen Kinder Milch und eingeweichten Zwieback, die Älteren „Fleisch-, Bier-, Brot- und Wassersuppe“. Abends mussten sie spätestens um sieben Uhr wieder aus der Kita in der Neustadt abgeholt werden, die heute mit 150 Jahren die älteste Hamburgs ist.

Die eigenen Kinder anderen Leuten anzuvertrauen, war damals durchaus nichts Neues und wegen der langen Arbeitszeiten auch kaum zu vermeiden. Neu war allerdings, für die „Aufbewahrung“ eigens einen Hort zu schaffen, in dem die Kinder nicht arbeiten müssen. Zwei Jahre vor der Gründung hatte der Pädagoge Friedrich Fröbel den Begriff „Kindergarten“ erfunden und in Hamburg Vorträge über eine „verbesserte Volkserziehung“ gehalten. „Warteschulen“ sollten in Bildungseinrichtungen umgewandelt werden. Möglicherweise hatte Fröbel auch Einfluss auf die Gründer der „Kinderbewahr-Anstalt“, eine Gruppe wohlhabender Hamburger. Sie bemühten sich um eine kindgerechte Betreuung „in luftigen Räumen“ und im Sommer „bei günstiger Witterung auch im Garten“.

Das „Projekt“ erregte internationale Aufmerksamkeit: Ein Beauftragter des russischen Kaisers, der sich Krippen in ganz Europa ansah, kam als „Pädagogiktourist“, und Wiener und Pariser Krippengründer äußerten sich lobend über die Einrichtung. Aufgenommen wurden nur „gesunde Kinder copulirter Eltern“, die Konfession spielte allerdings keine Rolle: Im ersten Jahr kamen Kinder aus „77 christlichen und 8 israelitischen“ Familien in die Krippe, verzeichnet der Jahresbericht 1852/52. Auch über Beruf und Familienstand der Eltern wurde Buch geführt. Die meisten waren Arbeiter in einer Zigarrenfabrik, Handwerker oder Händler, wobei die Frauen eher mit „Scheuern, Waschen, Schneidern und Grünhökerei“ ihr Geld verdienten. Obwohl die Krippe größtenteils durch Spenden finanziert wurde, musste ein Eigenbetrag geleistet werden, und zwar tageweise, „damit die Mutter nicht verleitet werde, ihr Kind auch an solchen Tagen fortzugeben, an denen sie nicht verhindert ist, es selbst zu warten.“

Seit 1852 ist die Kindertagesstätte ununterbrochen geöffnet. Darüber, wie der Betrieb unter den Nazis aussah, erfährt man in der Festschrift jedoch nichts. Zum 100-Jährigen 1952 titelte süßlich das Hamburger Echo „Wenn die liebe Mutti zur Arbeit muss...“ und schrieb von heißer Milch um 11 und „entzückenden Spielsachen“. Heute betreut die Kita 150 Kinder aus elf Nationen, vom Säugling bis zum Zwölfjährigen. Zum Mittagsschlaf legt keiner mehr „den Kopf auf den Tisch“ wie in den 50er Jahren. Dafür gehören Musikunterricht, ein Computerraum und ein Atelier zur Ausstattung. Fröbel hätte es sicher gefallen. LENA EKELUND