piwik no script img

Möglichst billig

Der Liederabend „All Inclusive“ am Bremer Theater begibt sich auf Pauschalreise ins Feriencamp, schafft aber nur einen kleinen Ausflug in die weite Welt des Gassenhauers

„Die Schwerkraft ist überbewertet und die Sonne kocht auch bloß mit Wasser... die gelbe Sau!“ Jawoll, das ist visionär, das ist größenwahnsinnig, das ist emotional, das hat Kraft. So einen Satz hört man gerne. So ein Satz ist wie ein Rettungsanker, nachdem vorher schon 25 Songs lang der Boulevard über die Bühne geschunkelt ist. Und so ein Satz passt auch noch ins Konzept: „All inclusive“ ist der Abend im Schauspielhaus überschrieben, alles dabei – sogar ein kleines Plätzchen für einen kleinen Moment jenseits des Mainstream.

Ansonsten: Nummernrevue im Mallorca-Umfeld. Song reiht sich an Song, Auftritt an Auftritt, und der Rahmen dafür ist eine Ferienanlage für Pauschaltouristen. Ein Swimming-Pool versenkt im Bühneboden, dahinter eine glatte, billige Bungalow-Fassade. Könnte das Bühnenbild einer Frank Castorf-Inszenierung sein, eines, das trashig zerfieselt wird und die Figuren baden gehen lässt. Ist es aber nicht. Denn bei „All inclusive“ geht niemand baden, da gehen sie nur schwimmen. Und statt Trash gibt‘s Klamauk in guter Ausstattung.

Insgesamt 33 Songs aus der weiten Welt der Gassenhauer erklingen, mal als Solostück, mal im Chor, aber immer zum Klavier von Dietmar Loeffler. Die Bandbreite reicht von Cat Stevens „Morning has broken“ über Bachs „Ave Maria“ bis zum unvermeidlichen „I will survive“ von Gloria Gaynor. Mitunter gibt es selbst gedichtete Texte, und zwar immer im Dienst des Urlauber-Typus, der gerade vorgeführt wird: Andreas Herrmann gibt den Reklamierer, Irene Kleinschmidt die Esoterikerin und Fritz Fenne den dauer-geilen Narzissten. Die Reihe lässt sich fortsetzen, zehn Leute lang.

Immer wieder sucht Regisseur Lukas Langhoff den Spaß im Kontrast, lässt eine Terminator-Karikatur den Pool putzen oder eine Mutter zum Geschrei ihres weggesperrten Kindes „Ein bisschen Frieden“ singen. Das fällt dann an diesem Abend unter die Kategorie „Tiefgang“. „All inclusive“ heißt halt auch immer: insgesamt möglichst billig.

Klaus Irler

nächste Vorstellungen: 26.10. und 2.11.

Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen

Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen