: In der Fusionsklemme
Die PDS-Fraktion will morgen die Senderehe von SFB und ORB billigen – und damit Regelungen, die sie lange kritisiert hat. Eine schwammige Resolution soll ihr das Gesicht wahren helfen
von STEFAN ALBERTI
„Es ist eben ein Unterschied, ob man in der Regierung ist oder in der Opposition.“ Dieser Satz gehört zum Standardvokabular kleiner Koalitionspartner, die von früheren Haltungen abweichen. Und auch Gesine Lötzsch, die Medienexpertin der PDS, hat ihn im Repertoire, wenn es um die Fusion von SFB und ORB geht. Denn ihre Fraktion will der Senderehe morgen im Abgeordnetenhaus zustimmen, obwohl der Staatsvertrag Personalvertretungsregeln enthält, die sie bislang ablehnte – und sich zugleich mit einer Resolution aus der Bredouille flüchten. Die brandenburgische PDS-Fraktion hingegen hatte Ernst gemacht und im Potsdamer Landtag gegen den Vertrag gestimmt. Ihr Chef Lothar Bisky: „Die Berliner PDS entscheidet für sich – aber ich werde es kritisieren, wenn Mitarbeiterrechte eingeschränkt werden.“
Dass der Staatsvertrag über die Vereinigung der beiden Sender zum „Rundfunk Berlin Brandenburg“ (RBB) nach jahrelangen Diskussionen die letzte rechtliche Hürde nimmt, gilt als sicher. Zustimmung wird auch aus der Opposition kommen. Der CDU-Fraktionsvorstand empfahl den Unionsabgeordneten trotz einzelner Kritikpunkte schon am Wochenende ein „Ja“.
Die FDP, die im Ausschuss mit den Grünen noch gegen die Fusion stimmte, will sich enthalten, die Grünen hingegen wollen ablehnen. Beide hatten unter anderem die zukünftige Zusammensetzung des RBB-Rundfunkrats abgelehnt, für den sie als kleinste Fraktionen anders als SPD, CDU und PDS keinen Vertreter benennen können. Damit wäre dort keine Partei mehr vertreten, die in beiden Ländern in der Opposition sitzt. Die Grünen hatten vergeblich gefordert, das Besetzungsrecht der Parteien für das Gremium komplett zu streichen. Grünen-Medienexpertin Alice Ströver sprach von einem Demokratiedefizit.
Beide Landesregierungen hatten den Staatsvertrag bereits Ende Juni unterzeichnet, der brandenburgische Landtag stimmte vor drei Wochen mit den Stimmen der großen Koalition von SPD und CDU zu. Die PDS-Fraktion lehnte dort einstimmig ab – „und dabei war die Abstimmung freigegeben“, sagte Fraktionschef Lothar Bisky.
Bei der Berliner PDS-Fraktion deutete in der bei Redaktionsschluss noch andauernden Fraktionssitzung nichts auf ein ähnliches Verhalten hin. Sie will das Gesicht mit einem Resolutionsantrag wahren, den sie ihrem Koalitionspartner SPD mühsam abgerungen haben will. Über ihn soll das Abgeordnetenhaus zum Ausdruck bringen, dass es vom neuen Sender Regelungen erwartet, die über die Festlegungen des Vertrags hinausgehen. Der Staatsvertrag sieht vor, die Mitbestimmung über das Bundespersonalvertretungsgesetz zu regeln – beim SFB gilt hingegen ein für die Mitarbeiter günstigeres Landesgesetz. Vor diesem Hintergrund hatte die PDS der Fusion bereits vergangene Woche im von Lötzsch geführten Medienausschuss zugestimmt.
Die Personalratschefs von SFB und ORB hatten das Votum heftig kritisiert: Das Begleitpapier sei „nichts weiter als die Garnitur“ für das Ja im Staatsvertrag. „Das ist natürlich nicht das Optimale“, räumt Lötzsch ein. Die Alternative wäre gewesen, die Fusion scheitern zu lassen. Die PDS-Fraktion aber hatte schon vor Wochen erkennen lassen, dass sie die Sendervereinigung will. Durch die Resolution sieht Lötzsch noch Gestaltungsmöglichkeiten: „Wir sehen die Sache mit dem Vertrag noch nicht als abgeschlossen an.“ Ob sie diesen Prozess bald von höherer Ebene verfolgt, ist noch offen: Lötzsch ist im September in den Bundestag gewählt worden und will im November entscheiden, wann sie aus dem Berliner Abgeordnetenhaus ausscheidet.
Nicht nur bei Personalräten gilt die Resolution als Beruhigungsmaßnahme für die PDS. Grünen-Medienausschussmitglied Felicitas Kubala nennt sie eine Mogelpackung. „Wenn sie es mit den Personalvertretungsrechten ernst meinen würden, hätte es im Staatsvertrag stehen müssen“, sagt Kubala.
Im Roten Rathaus äußerte man sich zurückhaltend zur Umsetzung der Resolution. Senatssprecher Michael Donnermeyer misst ihr einen „politischen Stellenwert“ zu. „Der Staatsvertrag ist das geltende Recht“, sagte er und klang dabei wie Brandenburgs PDS-Fraktionschef Bisky. „Ich werde nichts über Resolutionen sagen – Vertragstexte sind entscheidend“, äußerte sich der. Für ihn hat die Billigung der Senderehe weit reichende negative Konsequenzen: Die jetzt vereinbarte Personalvertretungsregelung setze „das schlechteste Denkmal für den Beginn der Debatte über die Länderfusion“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen