: Freuds Unbehagen in der Kultur
Im Filmkunsthaus Babylon wird ganz genüsslich das Grauen früher Kinotage gezeigt
Das Kino ist nüchterner Beobachter und Traumgeschichte. Beides. Immer schon gewesen. Während die Brüder Lumière zum Auftakt der Filmgeschichte nur mit der Kamera draufhielten, wie ein Zug in einen Bahnhof einfährt, schickte Georges Méliès die Zuschauer schon auf eine „Reise zum Mond“. 1902 war das fantastisch genug, und in Folge mochte es der Film gern noch exaltierter, mondsüchtiger. Seine Hochzeit hatte „Mysteriöses und früher Horror im Stummfilm“ – der Titel einer Reihe im Babylon – zur Zeit des expressionistischen Films in Deutschland. Dessen Produktion (aus der die Reihe auch bestückt ist) kann dabei durchaus als psychosoziologischer Abriss gelesen werden. Wie es Siegfried Kracauer in seiner luziden Studie „Von Caligari zu Hitler“ gemacht hat.
Natürlich hat der namensgebende Film von Robert Wiene aus dem Jahr 1920, „Das Cabinet des Dr. Caligari“ mit seinem bedrohlichen Wahnsinn im Babylon einen Auftritt (17. 11.), und auch der nicht minder prominente, Blut saugende Kollege „Nosferatu“ (3. 11.) darf hier Schrecken verbreiten. Dass dabei durchaus ein ästhetischer Kitzel goutiert werden sollte, zeigte Regisseur Wilhelm Murnau bereits mit dem Untertitel „Die Symphonie des Grauens“. Dennoch ist im Subtext zum Grusel der Filme stets eine gar nicht unbedingt weltflüchtige Aussage zur damaligen Zeit zu lesen, die dann in „Geheimnisse einer Seele“ (2. 11.) ganz pointiert als Illustration der damals heiß diskutierten Psychoanalyse gedacht war.
Regisseur Georg Wilhelm Pabst ließ Werner Krauß nach allen Regeln der psychoanalytischen Kunst träumen, übrigens nach einem von Sigmund Freud berichteten Fall. Wäre natürlich interessant gewesen, was der Meister der Psychoanalyse selbst im Kino gemacht hätte. Leider aber holte sich Filmproduzent Samuel Goldwyn mit seinem Angebot zur Mitarbeit an einem Film über Kleopatra bei Freud nur eine Abfuhr ein.
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