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gut gebohrt, hausmeister! von CORINNA STEGEMANN

„Röööörrrrrr, röööörrrrrr …“, dröhnt es an der Wohnungstür. Es sind Bohrgeräusche, eindeutig an meiner Tür, an meinem Türschloss. Einbrecher? Ich weiß nicht, was ich machen soll – sind die da draußen vielleicht gefährlich? Dann wieder Stille.

„Röööörrrrrr, röööörrrrrr …“, dröhnt es jetzt an der Tür der Nachbarwohnung. Dann höre ich Schritte von nebenan. Und Stimmen. Aber die Nachbarwohnung steht eigentlich leer, genaugenommen steht das ganze Haus leer, weil es bald renoviert werden soll. Nur der Schwule und ich sind noch da. Manchmal höre ich nachts Schritte vom Dachboden. In einer mutigen Minute ging ich einmal nach oben, um nachzusehen, aber der Dachboden war abgeschlossen.

Oft finden sich auch merkwürdige Substanzen im Hausflur, von denen ich lieber nicht wissen will, wo sie herkommen, das Flurlicht schaltet sich nachts oft von selbst an, der Briefkasten wird immer wieder aufgebrochen und manchmal kratzt etwas an meiner Wand. Es ist schon etwas gruselig, unser Haus, aber Bohrgeräusche an meinem Türschloss hatte ich noch nie.

Ich will jetzt verdammt noch mal wissen, was das soll, reiße also die Tür auf und sehe unseren Hausmeister mit einer kleinen Frau aus der Nachbarwohnung kommen, sehe eine Schraube in meiner Tür auf Höhe des Schlosses stecken und sehe den Akkuschrauber in des Hausmeisterleins Hand. Ich zeige auf die Schraube und frage höflich: „Was soll das?“ Und das Hausmeisterlein sagt: „Das war ich nicht.“ Es sagt tatsächlich: „Das war ich nicht.“ Dann bemerkt es selbst den Akkuschrauber in seiner Hand, macht eine Geste, die ich als „Auweia, wie peinlich“ verstehe, und sagt versöhnlich: „Na gut, ich hol sie wieder raus.“ Spricht’s, setzt den Schrauber an und holt die Schraube wieder raus. Für ihn scheint die Sache erledigt: „Sehen Sie, man sieht kaum noch was.“ Aber das reicht mir nicht.

„Wie kommen Sie denn überhaupt auf die Idee, mir am frühen Morgen Schrauben in die Türe zu drehen?“, will ich jetzt doch ganz gern wissen. Die kleine Frau neben ihm sagt erklärend: „Wir machen Wohnungsbegehungen.“ – „Aber doch nicht in meiner Wohnung“, bitte ich, „ich wohne hier doch noch.“ Das Hausmeisterlein senkt seinen Blick und sieht plötzlich aus wie ein achtjähriger Junge, der Mist gebaut hat, und flüstert: „Entschuldigung“. Er steht da wie ein begossener Pudel und hat sicherlich Angst, ich könnte mich bei der Hausverwaltung beschweren. Gibt es den Tatbestand des versuchten Hausfriedensbruchs? Völlig unangebracht bekomme ich Mitleid und sage gönnerhaft: „Es wird wohl eine Verwechslung gewesen sein.“

Aber die Vorstellung, ich könnte irgendwann mal nach Hause kommen und abermals Opfer einer Verwechslung geworden sein – Tür aufgebrochen, Möbel auf dem Sperrmüll, Süßwasserkrebs im Tierheim, persönliche Unterlagen an die Bild verkauft, Computer bei der Polizei abgeliefert – diese Vorstellung macht mich dann doch wieder wütend. Da wäre es mit einem geflüsterten „Entschuldigung“ nicht getan! Aber so was von nicht …

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