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Ein Verein rechnet ab

VfB-Aufsichtsrat verhinderte die Wiederwahl Mayer-Vorfelders als Vereinspräsident

STUTTGART taz ■ Alle Jahre wieder: Ein Verein lädt zur Jahreshauptversammlung, und keinen interessiert das so richtig. Es sei denn, der Verein heißt VfB Stuttgart, hat 16,6 Millionen Euro Schulden und – vor allem – einen Ehrenpräsidenten, der Gerhard Mayer-Vorfelder heißt. Und so ging es am späten Dienstagabend in Stuttgart dann doch noch recht aufregend zu – und gar nicht so, wie man das sonst von Jahreshauptversammlungen kennt. Schließlich ist „MV“ mittlerweile gänzlich zum Deutschen Fußball-Bund gewechselt – und zwei Jahre nach diesem Transfer beim VfB nun offenbar doch die Zeit gekommen, Tacheles zu reden.

Irgendetwas, das steht längst fest, war nämlich faul im Staate Mayer-Vorfelders. Zunächst war es ein anonymer Briefschreiber, der mit fundierten Insiderkenntnissen die örtliche Presse davon in Kenntnis setzte, was prompt die Stuttgarter Staatsanwaltschaft auf den Plan rief. Seitdem ist der neue Vorstand um den ehemaligen Aufsichtsrat und jetzigen Vereinspräsidenten Manfred Haas bemüht, die Vergangenheit vom Schatten MVs zu befreien. „Ich verspreche Ihnen, dass wir dabei nichts unter den Teppich kehren“, so Haas, gegen den die Staatsanwaltschaft wie auch gegen weitere Aufsichtsratsmitglieder von einst ebenfalls ermittelt. Im Kern geht es bei diesen Ermittlungen um die Abwicklung von Spielertransfers sowie um Zahlungen, die der Expräsident vom Verein als Aufwandsentschädigung erhalten hat.

Bei der Mitgliederversammlung am Dienstag dauerte es über zwei Stunden, bis der Ehrenpräsident, der persönlich nicht anwesend war, erwähnt wurde – beim ersten Mal geschah dies übrigens noch eher zufällig. Dann aber trat Heinz Bandke, der scheidende Aufsichtsratsvorsitzende, ans Mikrofon und nutzte seinen letzten großen Auftritt vor den VfB-Mitgliedern, um reinen Tisch zu machen. „Ab Mitte der 90er-Jahre gab es keine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Mayer-Vorfelder mehr“, verriet Bandke. Als Gründe dafür nannte er die völlig verfehlte Transferpolitik MVs, die den Verein in die Schuldenkrise getrieben habe, sowie die Nähe des Expräsidenten zur Mannschaft, welche die Autorität eines jeden Trainers untergraben habe. „Verpflichtungen wie die von Winnie Schäfer als Trainer waren Alleingänge des Präsidenten, denn Schäfer wollte in Stuttgart sonst keiner haben“, so Bandke, der auch mit den Folgen dieser Alleingänge nicht hinterm Berg hielt: „Wir, der Aufsichtsrat, haben Mayer-Vorfelder im Juni 1999 das Misstrauen ausgesprochen und seine Wiederwahl als Präsident verhindert.“ Auf einen Antrag auf Abberufung habe man jedoch verzichtet – aus Rücksicht auf den Verein.

Auch zu der umstrittenen Aufwandsentschädigung des ehemaligen Präsidenten von monatlich 25.000 Mark nahm der scheidende Aufsichtsratsvorsitzende Stellung. „Der Präsident hatte ganz andere finanzielle Vorstellungen, wir haben ihn runtergehandelt“, verriet Bandke. „Was glauben Sie, wo der Verein jetzt wäre, wenn wir nicht die Reißleine gezogen hätten?“

PETER-MICHAEL PETSCH

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