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Attac jetzt fünfstellig

Von null auf 10.000 hat es das globalisierungskritische Bündnis in zweieinhalb Jahren geschafft. Damit nimmt auch die Arbeit zu. Attac stellt feste Mitarbeiter ein

Die Zahl stimmt die globalisierungskritische Bewegung optimistisch: Am Mittwochabend begrüßte die Vizepräsidentin von Attac Frankreich, Susan George, in der Berliner Humboldt-Universität das 10.000ste deutsche Attac-Mitglied, eine Sozialarbeiterin aus Göttingen. „Ihr seid das Beste, was ich seit der Anti-Vietnam-Bewegung gesehen habe“, rief sie den Zuhörern im Saal zu. Die waren wegen kurzfristiger Werbung nicht allzu zahlreich erschienen und vertraten die 10.000 eher schlecht als recht. Der Stimmung schadete das nicht.

Attac trifft offenbar den Nerv der Zeit: Nachdem das Netzwerk Anfang 2000 nach französischem Vorbild auch in Deutschland gegründet wurde, nahm die Zahl der Mitglieder langsam, aber stetig zu. Schon mit den Protesten beim EU-Gipfel in Göteborg, besonders aber mit dem G-8-Gipfel in Genua im Juli 2001 und dem Tod von Carlo Giuliani gerieten die Globalisierungskritiker ins Licht der Öffentlichkeit. Die Schlagzeilen waren die beste Werbung, die sich Attac wünschen konnte. Mitte Juli hatte die Bewegung in Deutschland 472 Mitglieder, Ende August waren es bereits 1.205. Das Interesse flaute nicht ab. Im Jahr 2002 stiessen pro Woche durchschnittlich 135 Neue hinzu. Inzwischen kommt Attac auf knapp ein Viertel der Mitglieder der Grünen.

Aus ihrer Erfahrung mit Attac Frankreich mit 30.000 Mitgliedern gab Susan George den deutschen Globalisierungskritikern ein paar Tipps mit auf den Weg: Es sei wichtig, Bündnisse mit anderen Gruppen zu schließen, damit diese sich nicht von der Präsenz von Attac in der Öffentlichkeit erdrückt fühlten. Migranten und andere Minderheiten, die bei Attac bisher kaum eine Rolle spielten, sollten stärker einbezogen werden. Zu guter Letzt dürfe auch die Tobinsteuer, das ursprüngliche Anliegen von Attac, nicht in Vergessenheit geraten.

Denn mit der Zahl der Mitglieder wächst auch das Spektrum an Themen, mit denen sich die Bewegung auseinandersetzt. Das hatte bei Attac Deutschland zum Teil bereits Kritik aus den eigenen Reihen zur Folge: Das Netzwerk würde sich verzetteln und zum „politischen Bauchladen“ verkommen, hieß es. Für das Jahr 2003 wurde daher ein Strategiepapier ausgearbeitet, das zwei inhaltliche Schwerpunkte vorsieht: Neben der Kampagne gegen das mit Gats abgekürzte Dienstleistungsabkommen der Welthandelsorganisation soll der Protest gegen einen drohenden Irakkrieg im Mittelpunkt der Arbeit stehen. In der Friedensbewegung will Attac für mehr junge Leute und neuen Schwung sorgen.

Mit der Mitgliederzahl steigt auch der Verwaltungsaufwand. „Wir sind inzwischen mehr gefordert, als wir leisten können“, stellt Lena Bröckl aus dem Koordinierungskreis fest. Deswegen sollen jetzt im Frankfurter Attac-Büro erstmals sieben Hauptamtliche beschäftigt werden. Dieser Schritt ist umstritten: „Wir wollen keinen abgehobenen Funktionärsapparat, das widerspricht dem Bewegungscharakter von Attac“, kritisiert Sascha Kimpel von der Berliner AG Gegen den Krieg. Eine Alternative dazu gibt es allerdings nicht. Die Arbeit wächst den Attac-Leuten über den Kopf. ANTJE LANG-LENDORFF

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