: Tricks zwecks Beruhigung
Abschiebefall Yilmaz: GAL erhebt Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den Leiter der Ausländerbehörde. Der Vorwurf: Mitarbeiter täuschten und belogen türkische Familie arglistig, um eine reibungslose Abschiebung zu planen
von KAI VON APPEN
Die ausländerpolitische Sprecherin der GAL-Bürgerschaftsfraktion, Antje Möller, hat gegen den Chef der Hamburger Ausländerbehörde, Ralph Bornhöft, Dienstaufsichtsbeschwerde gestellt. Die GAL wirft der Behörde die vorsätzliche und arglistige Täuschung der türkischen Familie Yilmaz vor, um die reibungslose und schnellstmögliche Abschiebung zu realisieren. Durch eine zur Tarnung ausgestellte Duldung sollte die Familie beruhigt werden (taz berichtete).
Saban Yilmaz, seine Ehefrau sowie die fünf Kinder waren am Mittwoch voriger Woche in einer Nacht- und Nebelaktion ohne Vorwarnung gegen zwei Uhr nachts in ihrer Wohnung von einem polizeilichen Rollkommando festgenommen und wenige Stunden später am Flughafen Fuhlsbüttel in einen gecharterten Abschiebeflieger gesetzt worden. Und das, obwohl die Familie noch am Morgen in der Ausländerbehörde eine Duldung für vier Wochen erhalten hatte, um ihre Rückreise in die Türkei regeln zu können. Tags zuvor hatte der Petitionsausschuss der Bürgerschaft ihr Begehren auf ein Bleiberecht abgelehnt.
Gegenüber dem Anwalt der Familie begründete die Ausländerbehörde die Rücknahme der Duldung am Tag der Abschiebung – zu dem Zeitpunkt befand sich die Familie bereits auf dem Flug nach Ankara – damit, dass die Behörde erst nach der Erteilung der Duldung von der Entscheidung des Ausschusses Kenntnis erhalten habe.
Doch das war offenkundig gelogen: Denn bereits Tage vor der Entscheidung plante die Behörde die nächtliche Abschiebung. In einem internen Behördenvermerk, der der taz hamburg vorliegt, heißt es: „Vorausgesetzt, der Petitionausschuss lehnt die Eingabe als nicht abhilfefähig ab, erhält die Familie bei Vorsprache am 22.10. eine kurzfristige bis mittelfristige Duldung.“ Der „Zugriff“ sollte am 23.10. mittels Widerruf der Duldung und Ausnahmeentscheidung nach dem Vollstreckungsgesetz erfolgen. Die Aktion sollte um ein Uhr nachts in der Wohnung beginnen. „Gleichwohl man in dem aufgezeigten Verfahren einen Verstoß gegen den auch das Handeln der Verwaltung bindenden Grundsatz von Treu und Glauben sehen könnte – mittelfristige Duldung in Kenntnis der Abschiebung am folgenden Tag –, sollte die Maßnahme wie vorgeschlagen umgesetzt werden“, vermerkt die Behörde.
Genau das ist dann auch geschehen: Nach der internen Beurteilung der Ausländerbehörde sollte „der nächtliche Zugriff ohne vorherige Mittteilung des Abschiebetermins“ verhindern, dass womöglich eine „bewusste Verzögerung der Rückführung durch Vorlage abschiebehinderlicher Atteste erfolgt“, an die die Behörde gebunden sein könnte. Vor seiner Abschiebung lebte Saban Yilmaz zehn Jahre lang in Hamburg.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen