: BGS ohne Grenzen
Rot-Grün will dem Bundesgrenzschutz einen neuen Namen geben. Schon warnen CSU, PDS und Bürgerrechtler vor Ausbau zur starken Bundespolizei
von SEBASTIAN STOLL
Der Passus im Koalitionsvertrag ist knapp und unauffällig: „Der Bundesgrenzschutz ist eine Polizei des Bundes. Dies muss zukünftig auch in der Namensgebung deutlich werden“, heißt es dort, eine Erweiterung seines Zuständigkeitsbereichs sei damit aber nicht verbunden. Doch kurz nach Verabschiedung des Vertrages vermeldete Bild, parallel zur Umbenennung stehe dem BGS eine Reform nach dem Vorbild des amerikanischen FBI bevor. Das Innenministerium dementierte prompt und auch SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz erklärte der taz, es gehe lediglich darum, dem BGS einen „zeitgemäßen Namen“ zu verpassen.
Eines kann jedoch niemand dementieren: Spätestens mit der EU-Osterweiterung braucht der ursprünglich zur Grenzsicherung geschaffene BGS neue Aufgaben. Eine Namensänderung könnte da schon mal ein Anfang sein. Wiefelspütz: „Langfristig wollen wir gemeinsam mit unseren Nachbarn Sicherheit produzieren.“ Die neue innenpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Silke Stokar, kann sich auf längere Sicht verstärkte Inlandskontrollen auf Europa- und Bundesstraßen vorstellen.
Kaum verwunderlich sind daher die aufgeschreckten Reaktionen. „Wir werden sorgfältig beobachten, ob der BGS seine Kompetenzen zu Lasten der Länder ausbaut“, so ein Sprecher von Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU). Die PDS-Bundestagsabgeordnete Petra Pau warnt bereits, eine Kompetenzerweiterung des BGS untergrabe „das grundgesetzliche Prinzip, nach dem polizeiliche Aufgabenerfüllung Ländersache ist“.
Tatsächlich beruht die föderale Organisation der Polizei auf Erfahrungen mit der Gestapo. Die Aufgaben des BGS bei seiner Gründung im Jahr 1951 wurden daher zurückhaltend definiert, hauptsächlich ging es um die Sicherung der innerdeutschen Grenze. Seitdem war der BGS jedoch mehrmals Strukturreformen unterworfen: So unterstützt er seit den 70er-Jahren die Länderpolizeien bei Demonstrationseinsätzen, seit 1992 kümmert er sich um bahnpolizeiliche Aufgaben und Luftsicherheit. Seit 1998 ist der BGS sogar befugt, auf Flughäfen und Bahnhöfen verdachtsunabhängige Personenkontrollen vorzunehmen. Ein vergangenes Jahr von der Gewerkschaft der Polizei (GdP) verfasstes Strategiepapier zur Zukunft des BGS kommt sogar zu der Erkenntnis, dass „Kriminalitätsfelder mit bundes- und europaweiter Entfaltung am effektivsten und sinnvollsten zentral von einer Bundespolizei zu bekämpfen sind.“
Norbert Pütter vom „Institut für Bürgerrechte & öffentliche Sicherheit“ sieht in dieser Entwicklung eine Gefahr. „Bundesweit operierende Kräfte sind anfällig für politische Konjunkturen.“ Die Umbenennung sei aber „nur konsequent“ und „eine Anpassung an die Veränderungen, die der BGS in den 90er-Jahren erfahren hat“. Längst sei er eine Bundespolizei, und nicht aus allen Ländern komme Widerstand: Sie hätten kein Geld und der BGS helfe ihnen, die Personalknappheit zu verringern. „Eine Alternative wäre, die Bundesländer finanziell in die Lage zu versetzen, ihre Aufgaben zu erfüllen.“
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