Familientauglicher Flachsinn

Wie bringt man eines der dümmsten, aber aufwändigsten TV-Spektakel aller Zeiten ins Fernsehen? Der Produzentsaurier Robert Halmi sen. und sein teures Megaprojekt „Dinotopia“ (20.15 Uhr, RTL)

von CHRISTIAN BUSS

Das Fernsehen ist mächtig. So mächtig, dass es gelegentlich die Machthaber Hollywoods in die Knie zwingt. Steven Spielberg scheiterte im TV-Format schon vor zehn Jahren kläglich mit dem Algen-und-Plankton-Reißer „SeaQuest DSV“, und James Cameron ging erst unlängst mit seinem Endzeitszenario „Dark Angel“ baden. Hierzulande läuft nächste Woche auf Vox erst mal die zweite Staffel an, in den USA aber wurde im Frühjahr das Ende der Serie beschlossen. Immer wieder scheitern die Potentaten des US-Kinos an den spezifischen Gestaltungsmöglichkeiten des Fernsehens und den komplizierten Entscheidungsstrukturen des Metiers.

Umso bemerkenswerter, dass ausgerechnet der Qutsider Robert Halmi sen. mit seiner Produktionsfirma Hallmark Entertainment einen Superlativ nach dem anderen abliefert. In Hollywood lächelte man lange Zeit über den eigenwilligen alten Herren, dessen TV-Mehrteiler zu Recht regelmäßig von der Kritik verrissen werden.

Halmis Monumentalproduktionen funktionieren immer nach dem gleichen Schema: Mythen, Märchen und Mutationen – von Noah und Homer über Elfen und Kobolde bis Don Quichotte und Alice im Wunderland – werden hier zu familientauglichem Edelkitsch verarbeitet. Gegen ein Produkt aus dem Hause Hallmark ist „Harry Potter“ ein echter Horrorschocker.

Häme lässt Halmi sen. vermutlich kalt, schließlich bricht er regelmäßig die selbst aufgestellten Rekorde. Das macht selbstbewusst. „Dinotopia“, sein jüngstes Projekt, soll 90 Millionen Euro gekostet haben und gilt als teuerste Fernsehproduktion aller Zeiten. Der Fantasy-Dreiteiler kommt als Mischung aus Frank Capras Erweckungshymne „Shangri-La“, „Jurassic Park“ und „Elliot, das Schmunzelmonster“ daher: Zwei Brüder entdecken ein verborgenes Land, in dem Menschen und Dinosaurier in friedlicher Koexistenz leben.

Als Vorlage dienten die Romane des früheren National Geographic“-Illustrators James Gurney. Der hatte seine Geschichten bewusst so fantastisch angelegt, um sie unverfilmbar zu machen. Dann kam Halmi. Der beauftragte das britische Trickfilmstudio Framestore, das auch für die preisgekrönte BBC-Produktion „Dinosaurier – im Reich der Giganten“ verantwortlich zeichnet, mit den komplizierten Animationen. Tatsächlich ist es imposant, wie hier Menschen auf den Dickhäutern reiten.

Das ist aber auch der einzige Pluspunkt, denn wegen der kostspieligen Animationen blieb kein Geld für Darsteller. Normalerweise kauft Halmi sen. für jede Produktion ein halbes Dutzend namhafter Schauspieler ein. Wer nicht mehr den ganz großen Erfolg an der Kinokasse hat – bei ihm kann er ein fettes Gnadenbrot einfahren. Katharine Hepburn, Paul Newman und Gregory Peck hatten deshalb schon Auftritte in Hallmark-Opern. Für „Dinotopia“ indes wurden nur Nobodys engangiert, deren infantiles Spiel nicht mal die Klientel des „Tigerenten Clubs“ erheitern dürfte.

Doch die Mängelliste hat keinen Einfluss auf den Erfolg des Produkts. Denn Hallmark operiert mit einem unfehlbaren System. In dessen Zentrum steht Robert Halmi sen. mit seinem Sohn. Ein perfekte Symbiose. Halmi jun. beschrieb sie einmal so: „Mein Vater spielt den verrückten Cop, ich den vernünftigen. Er rennt rum und erzählt, er werde den teuersten Film aller Zeiten drehen, und ich prüfe die finanziellen Gegebenheiten.“

Das erinnert an das klassische Studiosystem von Hollywood, in dem ja auch zum Großteil Produzentendynastien das Sagen hatten. Und Halmi der Ältere erinnert mit seiner schillernden Biografie sowieso an die Tycoone der Traumfabrik: Er kam 1924 in Ungarn zur Welt, spionierte nach dem Zweiten Weltkrieg für die USA, wurde von den Kommunisten zum Tode verurteilt, entkam auf einem Kartoffellaster nach Österreich, arbeitete dann als Life-Fotograf und begann später Dokumentarfilme zu drehen. Als Produzent wurde er erst Anfang der Achtziger aktiv, da war er fast 60 Jahre alt.

Segmentierung und Globalisierung – was andere TV-Schaffende als Fluch empfanden, nahm er als Segen. Aufgrund der Aufsplitterung des Marktes mochten die US-Anbieter immer weniger in Großproduktionen investieren, das war zu riskant. Halmi sen. nun ließ seine immer bombastischeren Projekte von den US-Sendern nur teilfinanzieren und brachte den Großteil der Kosten durch Kooperationsverträge mit europäischen Unternehmen zusammen.

So unterhält Hallmark seit vier Jahren auch einen Output-Deal mit RTL. Mit Halmis Wunderkerzenknaller „Merlin“ konnte der Kölner Sender 1998 gar an einem Sonntag, dem angestammten „Tatort“-Termin, über acht Millionen Zuschauer erreichen. Seitdem lassen die RTL-Gewaltigen keine Gelegenheit aus, die transatlantische Allianz zu feiern.

Bleibt die Frage, ob es Halmi sen. gelingen wird, den mit „Dinotopia“ gelieferten Superlativ zu überbieten. Monströsere Geschöpfe als Dinosaurier lassen sich ja schwer finden. Und die Bibel, die man die größte Geschichten aller Zeiten nennt, hat der gigantomanische Greis natürlich auch schon mal in Szene setzen lassen. Aber das stört Halmi sen. wohl nicht. Für den Produzenten ist schließlich jedes seiner Projekte die größte Geschichte aller Zeiten.