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Der lächelnde Dritte bei der FDP

Exparteichef Gerhardt schaut gelassen zu, wie sein Nachfolger Guido Westerwelle ums politische Überleben kämpft

BERLIN taz ■ Im heillosen Durcheinander bei der FDP gibt es einen Mann, der seine Genugtuung nur mühsam verbergen kann: Wolfgang Gerhardt. Was hatte man ihm nicht alles nachgesagt, als er noch selbst Parteivorsitzender war: Zu langweilig sei er, zu altbacken und spröde. Und jetzt? Gerhardt ruft, und alle kommen.

Während der amtierende Vorsitzende Guido Westerwelle gestern wieder einmal nach Nordrhein-Westfalen eilen musste, um das weitere Vorgehen in seinem völlig außer Kontrolle geratenen Landesverband zu beraten, kann sich Gerhardt entspannt zurücklehnen – und mit Berliner Journalisten plaudern. Gerhardt? Zur Rentenpolitik? Wen hätte das vor ein paar Wochen interessiert? Gestern reichte eine kurzfristige Einladung des FDP-Fraktionschefs, um die halbe Hauptstadtpresse anzulocken.

Gerhardt kann sich ein Lächeln nicht verkneifen, als die erste Frage zum aktuellen Machtkampf in der FDP gestellt wird. „Das war zu erwarten“, sagt er zu den Ermittlungen gegen seinen alten Widersacher Jürgen Möllemann. „Da müssen Sie Herrn Westerwelle fragen“, kommentiert er die angeblichen Schlampereien in der FDP-Zentrale. Dass er Westerwelle gerade mit dem Vorschlag geärgert hat, der gesamte NRW-Vorstand möge zurücktreten – also auch Westerwelles Favoritin Ulrike Flach –, führt er auf Indiskretionen zurück. Er will sich nur „intern“ geäußert haben.

Gerhardt gibt sich, wie es seiner Rolle entspricht: staatstragend und loyal. Wie bei seinem Abgang vor knapp zwei Jahren, als er ohne Nachtreten auf den Parteivorsitz verzichtete, aber nicht auf sein Amt als Fraktionsvorsitzender. Das zahlt sich jetzt aus. Im Bundestag sitzt Gerhardt allein in der ersten Reihe. Von dort aus kann er als Sachwalter der seriösen FDP auftreten. Von dort aus konnte er gelassen zuschauen, wie Westerwelle und Möllemann mit ihrem gemeinsamen „Projekt 18“ an die Wand fuhren und die Wahl verloren.

Egal, wie das Drama um Spendenskandal und antisemitische Flugblätter auch ausgeht – Gerhardt ist schon jetzt der Sieger. Im Vergleich zum momentanen Zustand der FDP wirkt seine Amtszeit im Nachhinein wie eine Blütezeit der Liberalen. Die Zeitungen, die für die FDP und ihre Klientel wichtig sind, haben sich auf Westerwelle eingeschossen, lästern über „klamaukige Auftritte im Big-Brother-Container“ oder schreiben wie die FAZ über „innerparteiliche Konkurrenz“ für den FDP-Vorsitzenden. Und der Spiegel, bei dem immer noch der alte FDP-Haudegen Rudolf Augstein als Herausgeber fungiert, berichtet in seiner aktuellen Titelgeschichte, „wie Möllemann und Westerwelle die Liberalen ruinieren“. Balsam für Gerhardts Wunden, der es noch nicht verwunden hat, wie ihn die beiden einst ausmanövrierten.

Niemals würde sich Gerhardt selbst als Nachfolger seines Nachfolgers ins Spiel bringen. Er wartet einfach ab. Und liest mit Vergnügen, wer außer ihm so als möglicher Kandidat genannt wird: Rainer Brüderle aus Rheinland-Pfalz etwa, Walter Döring aus Baden-Württemberg, ja sogar Schatzmeister Günter Rexrodt. Alles keine echten Hoffnungsträger, alles keine Charismatiker. Aber sie stehen alle für die alte FDP. Bei dieser Auswahl hätte Gerhardt gute Chancen.

Auf jeden Fall hat er ein gewichtiges Wörtchen mitzureden. Die von ihm geführte FDP-Fraktion im Bundestag erscheint derzeit als einziger Hort der Stabilität. Und über Westerwelles Schicksal als Parteivorsitzender wird spätestens im Februar ausgerechnet in Gerhardts Heimatland entschieden – bei der Landtagswahl in Hessen. Selbst wenn es Westerwelle gelingt, bis dahin noch im Amt zu bleiben: An dem Mann in der ersten Reihe kann er nicht mehr vorbeiregieren. Kein Wunder, dass Gerhardt lächelt.

LUKAS WALLRAFF

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