piwik no script img

Jedes Bett ist heiß umkämpft

Der Landeskrankenhausplan bis 2005 ist in der Mache: 1.050 Liegeplätze in Bremer und Bremerhavener Kliniken könnten wegfallen. Kein Grund zur Panik, sagen Krankenkassenvertreter

Wie viel Klinikbetten brauchen Bremens Kranke künftig? Reichen knapp 5.700 – oder könnten es auch 1.000 weniger sein? Hinter verschlossenen Türen debattieren Vertreter von Gesundheitsbehörde, Kliniken und Krankenkassen diese Frage seit Monaten. Dass sie sich auf eine Fortschreibung des Landeskrankenhausplans bis 2005 wie ursprünglich vorgesehen noch im November einigen, ist unwahrscheinlich. Aber immerhin sind die Verhandlungen zwischen den Interessenvertretern gestern wieder in Gang gekommen, nachdem sie zeitweise stockten.

Dabei geht es in dieser Verhandlungsrunde um vergleichsweise wenig: Auf der Tagesordnung steht lediglich der Abbau von maximal 1.050 Klinikbetten im Land Bremen; insgesamt gibt es davon derzeit rund 5.700, rund 4.460 in Bremen und 1.240 in Bremerhaven. Erst 2005 wollen die Kassen die effektivste, aber härteste Sparmaßnahme wieder ansprechen: Die Schließung ganzer Krankenhäuser. Erste Namen von Kandidaten zirkulieren bereits.

Doch das Beharrungsvermögen ist enorm. Moderne Behandlungstechniken verkürzen zwar die Liegezeiten von PatientInnen, dennoch ist jedes Bett heiß umkämpft – weswegen die Verhandlungen über den weiteren Bettenabau stockten. „Blockadehaltung“ nannten Kassenvertreter die Position der Bremer Krankenhausgesellschaft, die die kommunalen Kliniken am Verhandlungstisch vertritt. Deren Geschäftsführer Jürgen Scholz nämlich hatte den geplanten Bettenabbau als „überzogen“ kritisiert und die dem Abbau zugrundeliegenden Berechnungen „unrealistisch“ genannt. „Krankenkassen und Behörde halten ein Bett erst dann für erhaltenswert, wenn es an neun von zehn Tagen belegt ist“, klagt er. Eine solche Auslastung von 90 Prozent sei jedoch unrealistisch. Allerdings werde er mit sich reden lassen, wenn Klinikbetten wegfielen, ohne dass das Budget beschnitten würde. Denn: Weitere Kürzungen seien für Kliniken nicht zu verkraften. Die Häuser litten seit Jahren darunter, dass die Kosten deutlich über den kassenfinanzierten Einnahmen lägen. „Die Rationalisierung ist am Ende“, sagt Scholz und droht: „Danach kommt die Rationierung.“ Schon hat er hochgerechnet, dass die von Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) angedrohte Nullrunde für die Krankenhausfinanzierung rund 360 Bremer Arbeitsplätze koste. Krankenkassenvertreter können das ebensowenig nachvollziehen wie den von der Bremer CDU-Gesundheitspolitikerin Brigitte Dreyer beschworenen Verlust von 3.300 Bremer Arbeitsplätzen im Gesundheitswesen, wenn rund 1.000 Klinikbetten abgebaut würden.

„Es geht doch um Betten, die nicht gebraucht werden, weil sie sowieso leer stehen“, sagt Ekkehard Bahlo vom Verband der Angestelltenkrankenkassen. Erst bei 85 Prozent Bettenauslastung sei die Belegung wirtschaftlich. Sämtliche chirurgischen Abteilungen in Bremen lägen beispielsweise mit Auslastungen zwischen 63 und 76 Prozent darunter. Auch die Darstellung Dreyers, dass mit einem Klinikbett drei Arbeitsplätze verschwänden, lasse sich einfach wiederlegen: Einem Bettenabbau von 25 Prozent in den letzten acht Jahren stünde ein Personalabbau in den Kliniken von 5,6 Prozent gegenüber. Diese Arbeitsplätze gingen zudem nicht verloren, sondern andernorts auf – im ambulanten Operieren oder der ambulanten Pflege beispielsweise. Was die Nullrunde für Kliniken betreffe, entspreche dies für Bremer Kliniken rund 5,2 Millionen Euro, die diese nicht bekämen. Davon ließen sich niemals 360 Arbeitskräfte finanzieren – denn die dürften dann ja nur mit höchstens 14.400 Euro pro Nase veranschlagt werden. „Wie die Krankenhausgesellschaft da rechnet, ist mir rätselhaft“, sagt Bahlo. ede

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen