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Protest mit Biss

Rund 3.000 Zahntechniker demonstrieren in Berlin gegen rot-grüne Sparmaßnahmen. 35.000 Jobs seien gefährdet

BERLIN taz ■ „Ich habe morgens keinen Spaß mehr, ins Labor zu gehen“, sagt der Hamburger Zahntechniker Klaus Möller. Sollten die Sparpläne der Bundesregierung verabschiedet werden, müsse er vier seiner 13 Angestellten entlassen. Es tröstet ihn nicht, dass es mehr als 8.500 seiner Kollegen ähnlich geht. Rund 3.000 Beschäftigte aus der Zahntechnikbranche, ausgerüstet mit Trillerpfeifen und Spruchbändern, demonstrierten gestern vor dem Brandenburger Tor. „Zahntechnik blutet aus“, „Mut zur Lücke“, oder „Zieht uns nicht den letzten Zahn“ ist darauf zu lesen. „Wenn das Labor den Bach runtergeht, bin ich arbeitslos“, sagt Andreas Simon. Der 28-Jährige ist aus Nürnberg angereist, um gegen die Sparmaßnahmen zu demonstrieren.

Das geplante Vorschaltgesetz von Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) sieht vor, die Preise für zahntechnische Leistungen um 5 Prozent zu senken sowie eine Nullrunde bei den Preisverhandlungen für das kommende Jahr. Gleichzeitig soll der Mehrwertsteuersatz um 9 Prozent auf 16 Prozent erhöht werden. Champagner für 7 Prozent – Zahnersatz für 16 Prozent, das sei keinem in Deutschland zu vermitteln, so Lutz Wolf, Präsident der Zahntechniker. Die Branche arbeite ohnehin gerade kostendeckend. Die Löhne seien in den letzten Jahren bei einer Steigerung der Lebenshaltungskosten von 18,6 Prozent lediglich um 8 Prozent gestiegen. Komme das Gesetz zustande, seien rund 3.000 Handwerksbetriebe von der Pleite bedroht und 35.000 Arbeitsplätze gefährdet. Die Zahntechniker verlangen ein Mitbestimmungsrecht in der Gesundheitspolitik. Walter Winkler, Generalsekretär des Verbandes, forderte, den „drohenden katastrophalen Fehler im Gesetzentwurf schnell zu korrigieren“.

Die Demonstration bildete den Auftakt zu Protestveranstaltungen von Vertretern aus dem Gesundheitswesen, mit dem gegen die Kürzungspläne der rot-grünen Regierung protestiert werden soll. Gesundheitsministerin Schmidt will unter anderem die Ausgaben für Ärzte und die Kliniken 2003 einfrieren. Mit dem Gesetz wollen SPD und Grüne rund 3, 5 Milliarden im Gesundheitswesen einsparen. Am Freitag soll es im Bundestag verabschiedet werden. Einzelne Ärzteverbände wie der „NAV-Virchow-Bund“ kündigten „notfalls Streikmaßnahmen“ an. 40 Gesundheitsverbände und die Deutsche Krankenhausgesellschaft versammeln sich bereits heute zu einer weiteren Kundgebung am Brandenburger Tor.

J. HÄUSLER, S. STOLL

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