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Helden des Rap Cubano

Das Exilanten-Trio „Orishas“ ist bei Havannas Jugend bekannter als die alten Soneros

„537 Cuba“ ist die Hymne der Raperos in Havanna. Dieser Hit der Orishas steht für das Rap-Lebensgefühl der kubanischen Jugendlichen, und beim letzten Konzert in Havanna feierten 20.000 die drei Rapper, die inzwischen in Frankreich leben. Ihr aktuelles Album Emigrante ist in Kuba nicht zu bekommen, doch erste Mitschnitte der im Radio gespielten Nummer kursieren bereits in der Szene, sagt Yotuel, ein Drittel des Trios.

Er sieht die Orishas nicht zuletzt als Türöffner zum internationalen Markt. Denn gute Rap-Bands gibt es in Kuba zuhauf, nur haben sie dort kaum eine Chance, ins Studio zu kommen. Die Texte, zumeist über den Ist-Zustand der kubanischen Gesellschaft, sind den Vertretern von Funk und staatlichen Labels zu tough. Denn darin geht es oftmals um die Hatz nach den Dollars, um die schlechte Versorgung der Bevölkerung oder um die vielfältigen Probleme, die mit der Prostitution einhergehen. Eben nicht die Sonnenseiten der sozialistischen Revolution, wie sie von offizieller Seite so gerne gezeichnet werden. „Die Zensur setzt dann ein, wenn die Bands im Radio gespielt werden sollen“, sagt Yotuel. „Mit kritischen Texten kommt man nicht auf den Äther.“

Rap gilt in Kuba noch immer als Randphänomen, doch der Erfolg der Orishas, die sich nach den afrokubanischen Göttern der Santería benannt haben, hat einiges geändert: Selbst in der kubanischen Parteipresse werden die drei Rapper gelobt, und am 1. Januar 2001, dem Revolutionsfeiertag, durften sie zusammen mit Silvio Rodríguez, Pablo Milanés, Ibrahím Ferrer und anderen großen alten Soneros auf den Bühnen der Hauptstadt auftreten. In der ganzen Stadt fanden Open Air-Konzerte statt, und eine ganze Reihe von Rap-Bands durften sich vor großem Publikum versuchen. Vor allem in Alamar, der Hochburg der kubanischen Rap-Szene im Osten der Hauptstadt.

Dort, zwischen heruntergekommenen Plattenbauten, hat auch Yotuel seine ersten Gehversuche als Rapper gemacht, bei Amanaza. Er begrüßt den zaghaft neuen Umgang der Offiziellen mit den ungeliebten Rap-Bands. „Es sind unsere eigenen Themen, die wir verarbeiten. Wir kopieren nicht, sondern setzten uns mit unserer Musik auseinander“, korrigiert er den alten (wie fadenscheinigen) Vorwurf, dass Kubas Rapper auf irgendeiner US-Welle schwimmen würden.

Ihren eigenen Stil haben die Orishas längst gefunden, was die Alben dokumentieren. Emigrante ist eine Auseinandersetzung mit dem eigenen Dasein im – selbst gewählten – französischen Exil. Dort hat sich die Band gegründet, nachdem sie den französischen Hip-Hop-Produzenten Nico kennen lernten. Von da an ging alles ziemlich schnell: Erste Stücke wurden eingespielt, das Major-Label EMI nahm die drei Kubaner unter Vertrag – und landete einen Überraschungshit. Das Debüt A lo Cubano lief ausgesprochen gut, besonders in Frankreich, Spanien und Portugal, und auch Emigrante ist ein kommerzieller Erfolg.

Verstehen wird das europäische Publikum die Texte allerdings wohl nicht immer zur Gänze, denn längst haben die kubanischen Raperos eigene Codes entwickelt. So werden Messages transportiert, die nicht für alle Ohren bestimmt sind. Diese Codes indes unterliegen einem stetigen Wandel, so dass auch Yotuel und seine Mit-Rapper Roldán und Russo mitunter vor Rätsel gestellt sind, wenn sie mal wieder nach Havanna kommen.

Keine Ahnung hat Yotuel hingegen, weshalb Orishas bei der Deutschland-Tour unter dem Banner einer französischen Zigarettenmarke auftreten (und im Zuge der damit verbundenen Altersbeschränkung ihr jugendliches Publikum aussperren). „Mit Marketing haben wir nichts zu tun“, sagt er lapidar, wichtiger ist ihm in jedem Fall seine Musik. Gleichwohl: Nichts hätte er dagegen, unter dem Banner von „Habana Club“, dem kubanischen Rum, aufzutreten, oder dem von Habanaos S.A., des Zigarrenexporteurs. Und aus der ehrwürdigen Fabrik für einen Abend das Alamar Hamburgs zu machen.

Knut Henkel

Freitag, 21 Uhr, Fabrik. Achtung: Wegen der werbenden Beteiligung einer Zigarettenmarke ist Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren – auch in Begleitung Erwachsener – der Zutritt nicht gestattet! Ausweiskontrollen!

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