: Ein Bayer auf Holsten
Die Hamburg Freezers lassen sich selbst durch 13.000 ZuschauerInnen in der neuen Arena nicht nervös machen – 5:4 gegen die Kölner Haie
von OKE GÖTTLICH
„Mir aus Tölz hoalten zamm“, freute sich Beppo Schlickenrieder, der bullige Ex-Eishockeyprofi und heutige Assistenztrainer der aus München gen Norden verfrachteten Hamburg Freezers. Sein Treuegelübde war an Gästecoach Hans Zach gerichtet, ebenfalls Bayer aus Leidenschaft.
Zachs Kölner Haie zeigten sich nach der 4:5-Niederlage gegen die Arena-Debütanten aus Hamburg als gute Verlierer. „Hamburg hilft‘s, und uns reißt‘s nicht vom Pferd“, wusste Zach, der sich lediglich über seinen Keeper Chris Rogles maßlos ärgerte. Den 13.000 Premierengästen in der Color Line Arena kam dies gelegen. Denn statt modernem Eisschach bekamen sie eine torreiche Partie zu sehen, die in jeder Hinsicht Werbung für den bisher kaum existenten Sport in der Hansestadt machte.
An das ungewohnte Treiben auf dem Eis mussten sich die Besucher erst gewöhnen. Zum richtigen Fantum bedarf es wohl noch einiger Besuche, um sich mit dem Regelwerk und sportartgerechten Anfeuerungen anzufreunden.
Schüsse aus der neutralen Zone wurden unter Jubelgetöse als Torschüsse missverstanden, und die Gesänge müssen sich den Zusatz „Fan“ noch insofern verdienen, als dass sich die Massen noch über Takt und Reim Gedanken machen müssen. Journalisten erkundigten sich bei Experten über mögliche Bewertungen einzelner Spieler, und die Experten ihrerseits kicherten über Fragen wie vor dem ersten Kuss. Sehr gelungen unter den teilweise unerträglichen Musikeinspielungen waren regionale Schlager wie „In Hamburg sagt man tschüss“, wenn ein gegnerischer Spieler auf die Strafbank verbannt wurde.
Derart von Stimmung und Erfolg hochgejazzt, fielen sich die Verantwortlichen nach der Schlusssirene in die Arme. Noch freudetrunken vom Spiel seiner 70-prozentigen Gesellschaft auf dem Eis war Detlef Kornett, der für den Milliardär und Freezers-Besitzer Philip Anschutz in Europa die Geschäfte betreibt, auf der Suche nach seinem Wettopfer. „Ich hatte vor dem Spiel 5:4 für die Freezers getippt. Jetzt bin ich auf der Suche nach ihm, denn ich trinke Champagner.“
Champagnerlaune könnte bei Beppo Schlickenrieder nie aufkommen. „Holsten schmeckt mir wirklich“, versicherte der Bayer selbst nach dreimaliger Nachfrage, ob er sich nicht lieber ein Weißbier gönnen würde. „Hamburg ist seit heute Abend auf der Landkarte des Eishockeys“, strahlte Kornett, während Schlickenrieder die blöde Frage nach den wenigen deutschen Stars im Team der Freezers beantworten musste. „Mir san doch nicht ausländerfeindlich. Mir san doch jetzt freundlich“ schmetterte er zurück. Es ist ihm Ernst mit dem Weißbierverzicht.
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