: off-kino Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet
Die Leningrad Cowboys spielten gerade vor ein paar Tagen in Berlin, und der neue Film von Aki Kaurismäki, das in Cannes preisgekrönte Melodram „Der Mann ohne Vergangenheit“, läuft in dieser Woche in den Kinos an. Grund genug also, noch einmal einen Blick auf das gemeinsame Werk der Herrschaften zu werfen. Mit der für ihn typischen Lakonie inszeniert Kaurismäki in „Leningrad Cowboys Go America“ den Trip der finnischen Polka-Rocker ins Land der unbegrenzten Möglichkeiten als ein albern-komisches Roadmovie, das viel über die Liebe der Finnen zur amerikanischen Zeichen-Popkultur erzählt: Es geht um Cadillacs (Jim Jarmusch verkauft den Cowboys einen), Rock ’n’ Roll (der will erst mal gelernt sein: „Read this!“), Dosenbier und Standardsituationen aus amerikanischen Genrefilmen. Und letztlich zeigt Kaurismäki auch, dass sich die Landschaften des amerikanischen Mittelwestens gar nicht einmal sonderlich von der finnischen Tundra unterscheiden.
„Leningrad Cowboys Go America“ 19.11.–20.11. im Filmkunst 66
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Zeichentrick für das Familienpublikum, da denkt ein jeder sofort an Disney. Doch auch andere Studios und Produzenten haben sich in den vergangenen Jahren mit ähnlichen Konzepten immer wieder daran versucht, die marktbeherrschende Position des Mäuseimperiums zumindest ein wenig ins Wanken zu bringen. Und dafür wurde geklotzt und nicht gekleckert: „Hilfe! Ich bin ein Fisch“ (2000) ist die laut Eigenwerbung der Produktionsfirma Munich Animations bislang teuerste europäische Zeichentrickproduktion – auch wenn der federführende Produzent Eberhard Junkersdorf, der einst vor allem mit Autorenkino von Regisseuren wie Volker Schlöndorff und Reinhard Hauff reüssierte, über die tatsächlichen Herstellungskosten dann doch lieber nichts verlautbaren lassen wollte.
Animationstechnisch braucht der unter der künstlerischen Leitung der dänischen Regisseure Michael Hegner und Stefan Fjeldmark in Kombination aus traditioneller Zeichnung und Computeranimation entstandene Film um drei Kinder, die sich durch Einnahme eines Verfischungstranks in Meereslebewesen verwandeln, internationalen Vergleich keineswegs zu scheuen. In der Entwicklung der Story zeigt sich allerdings der fundamentale Unterschied zu den Disney-Produktionen, denen es zumeist gelingt, in jeder einzelnen Szene eines homogenen Filmes ein Publikum aller Alterstufen gleichermaßen anzusprechen. „Hilfe! Ich bin ein Fisch“ geht anders vor: Die Abenteuer des 13-jährigen frechen Helden Fly bietet Identifikationsmöglichkeiten für Jugendliche, die Szenen mit seiner kleinen Schwester Stella und ihrem lustigen Seepferdchen sind für die ganz Kleinen gedacht, und die Erwachsenen sollen sich angesprochen fühlen, wenn sich der Lotsenfisch Joe, der durch Einnahme des Verfischungstrank-Gegenmittels immer menschlicher wird, als ein militaristischer, machtgieriger Demagoge erweist, der alsbald Unterwasser-Reichsparteitagsaufmärsche mit Albert-Speer-Lichtdramaturgie veranstalten lässt. Sehr seltsam, aber keineswegs uninteressant, das Ganze.
„Hilfe! Ich bin ein Fisch“ 14.11.–20.11. im Kant 3
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Die Angebetete zum ersten Date ins Pornokino einzuladen, zeugt nicht gerade von gesteigerter Sensibilität – irgendetwas mit der Persönlichkeitsentwicklung scheint da schief gegangen zu sein. Wie sich alsbald herausstellt, hat der „Taxi Driver“ Travis Bickle (Robert De Niro) tatsächlich ernsthafte Probleme: Seine Fixierung auf eine Kinderprostituierte (Jodie Foster) endet mit messianischen Wahnvorstellungen und in einem Blutbad. Regisseur Martin Scorsese und Drehbuchautor Paul Schrader zeichnen ihren Protagonisten als einen von Vietnamkriegstrauma und Paranoia gezeichneten Mann und die nächtlichen Straßen von New York als die Hölle auf Erden: ein Klassiker.
„Taxi Driver“ (OF) 14.11.–20.11. in der Brotfabrik
LARS PENNING
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