Vom Meister lernen

In der Buchhandlung Kochlust kann die Kunst des Kochens erlernt werden. Alles dreht sich um den Herd, einen virtuosen Koch und ein gutes Essen

von CHRISTINE BERGER

Gründe, weshalb jemand einen Kochkurs belegt, gibt es viele. Mein stets hungriger Bruder etwa schrieb sich in seiner Jugend jahrelang bei der Volkshochschule ein, um abends noch mal ein Vier-Gänge-Menü verputzen zu dürfen. Die Gäste von Buchhändlerin Brit Lippold, die sich an diesem Abend in ihrer Kochbuchhandlung in Mitte einfinden, haben anderes im Sinn. Sie wollen wirklich etwas lernen.

Wild steht auf auf dem Programm, genauer gesagt: Reh, Wachteln und Fasan. Star des Abends sind jedoch weniger die Tiere im Kochtopf als vielmehr der Koch Amir Zatri, ein Franzose aus der Normandie, der an normalen Tagen im Restaurant „La Crapule“ den Löffel schwingt. Ihm schauen in der wohnzimmergroßen Küche hinter der Buchhandlung zehn Kursteilnehmer gebannt auf die Finger. Sehen, wie Zatri virtuos die Sauce für die Amuse-Gueule mit Armagnac zum Flammen bringt, im Affentempo Baguette aufschneidet und das rohe Fleisch für Reh-Carpaccio in hauchdünne Scheiben schneidet. „Wie im Zeitraffer“, murmelt ein Teilnehmer beeindruckt. „Das ist noch gar nichts“, erklärt der Koch. Wenn er alleine in der Küche stehe und zwanzig Gäste draußen auf ihr Essen warteten, müsse es noch viel schneller gehen.

Nachdem er sich zum dritten Mal den Kopf am Edelstahlabzug gestoßen hat und die erste Flasche Prosecco geleert ist, wird die Stimmung lockerer. Die Kursteilnehmer versuchen, es dem Maître gleichzutun. Zatri verteilt Messer und Brettchen und jeder macht sich daran, sein eigenes Carpaccio zu basteln. Je nach Talent fallen die Scheiben dünner oder dicker aus. Zum guten Schluss kommen die Tellerchen mit dem Fleisch zum Schockfrieren in die Kühlung.

Dann wird erst mal gegessen. Am lang gestreckten Holztisch sitzen die Teilnehmer wie die Zwerge bei Schneewittchen und hantieren mit Messer und Gabel. Da kaum jemand den anderen kennt, kommt das Tischgespräch nur schleppend voran. Vor allem das selbst gebackene Haselnussbrot, das Zatri kurz vorher aus dem Backofen geholt hat, sorgt für genussvolles Schweigen, und bevor der Chef die Warnung aussprechen kann, sich damit nicht den Magen voll zu schlagen, ist es schon so gut wie verputzt.

Die meisten, die sich bei Kochlust versammelt haben, stehen auch zu Hause mit Leidenschaft am Herd. „Es ist doch toll, ein Menü zu kreieren und dann zu sehen, wie es den anderen schmeckt“, begeistert sich ein Arzt, der den Kurs von seiner Frau geschenkt bekommen hat. Alltägliches Kochen für die Kinder liegt ihm weniger. „Die maulen doch nur, wenn es etwas gibt, was sie nicht kennen.“ Weshalb er das Füttern des Nachwuchses lieber seiner Frau überlässt.

Kochen als kreatives Highlight ist in vielen Familien eher Männersache. Dagegen spricht allerdings, dass sich an diesem Abend sieben Frauen mit drei Männern Tisch und Küche teilen. Auch Brit Lippold, die seit Eröffnung ihrer Buchhandlung vor knapp zwei Jahren schon hunderte von Kochkursen organisiert hat, kann keine Häufigkeiten erkennen. „Beim letzten Pastaabend waren fast nur Männer da“, hat sie erstaunt registriert.

„Wachteln im Apfelnest“, Fasanenpastete und Escalope vom Reh auf Wildpilzragout und Armagnacsauce heißen die folgenden Wildgänge. Immer wieder schwingt Zatri très rapide das Küchenmesser, um Obst, Brot, Kartoffeln und Fleisch zu einem großen Ganzen zu vereinen.

Jens Wilke ist zum zweiten Mal dabei. Davor hat er in der Kochbuchhandlung zum Thema „Kochen mit Blumen“ vorbeigeschaut. „Als Abwechslung zum sonstigen Fast Food“, so der Programmierer, der zu Hause die Schürze umbindet, um ab und an etwas Solides auf den Tisch zu bringen.

Dass in der Profiküche grundsätzlich nichts weggeworfen wird, ist eine Weisheit, die Zatri in dem Vier-Stunden-Kurs gleich öfters verlauten lässt. Brotreste etwa werden zu Semmelbröseln oder Croûtons verarbeitet, Gemüse- und Fleischreste ergeben einen Fond für die nächste Suppe. Dass Butter in der Pfanne nicht braun wird, wenn man vorher ein wenig Öl dazugibt, ist ebenfalls ein hilfreicher Tipp. „Welche Töpfe und Messer etwas taugen, ist immer das Erste, was gefragt wird“, berichtet Brit Lippold.

Bis Ende Dezember sind die Abende ausgebucht. Nur zwei Themen sind noch offen: Kochen mit Innereien und Makrobiotisches Essen. Das hört sich eben nicht sehr appetitlich an.

Kochlust, Neue Schönhauser Str. 36/37, Mitte, Tel. 24 63 88 83, www.kochlust- berlin.de. Die Kurse kosten derzeit je nach Thema 38 bis 55 €.