: Chirac feiert Juppé
Mit der Gründung einer französischen CDU will der Präsident seine Nachfolge für das Jahr 2007 sichern
LE BOURGET taz ■ Die CDU/CSU ist zusammen mit der spanischen Partido Popular das Vorbild der französischen Unionspartei, die gestern in Le Bourget bei Paris offiziell aus der Taufe gehoben wurde. An ihrer Spitze steht Jacques Chiracs designierter Nachfolger, der gaullistische Expremierminister Alain Juppé.
Rund 12.000 Delegierte vertraten gestern in Le Bourget die angeblich mehr als 160.000 Mitglieder der regierenden Mitte-Rechts-Partei. Wahlen stehen in den kommenden zwei Jahren nicht an. Die Union, der 365 von 599 Abgeordneten und auch eine Mehrheit der Senatoren angehören, kann sich darauf konzentrieren, ihre Macht auszuüben. Der Rahmen des Gründungskongresses war darum betont feierlich. Geladen zu diesem „historischen Moment der französischen Geschichte“ (Le Figaro) waren nicht nur rund hundert Botschafter, sondern auch die Spitzenvertreter von Schwesterparteien aus Europa und Afrika. José-Maria Aznar und Angela Merkel waren die Taufzeugen.
Schon seit Wochenbeginn konnte die Parteibasis per Internet zwischen zwei Parteibezeichnungen, Union Populaire oder Union pour le Mouvement Populaire, und zwischen zwei Parteiemblemen wählen. Niemand zweifelte auch nur eine Sekunde an Juppés Sieg. Nach fünf Jahren Fegefeuer feiert der ehemalige gaullistische Premierminister sein grosses Comeback. Als Regierungschef hatte er 1995 mit seinem arroganten Auftreten und einer kompromisslosen Rentenreform wochenlange Sozialkonflikte provoziert. Selten hat sich ein Premier so nachhaltig unbeliebt gemacht wie Juppé.
Als Chef der Präsidentenpartei soll er sich als unbestrittener Kandidat des bürgerlichen Lagers für die Wahlen 2007 qualifizieren und dann das Zepter von Chirac übernehmen, der von Juppé gesagt hat: „Er ist der Beste unter uns.“ Die Gründungszeremonie war die Krönungsmesse für den Kronprinzen.
De facto existiert Juppés Union schon seit sieben Monaten. Sie ist das Produkt der Wiederwahl von Jacques Chirac, der damit die Vorherrschaft der Gaullisten im bürgerlichen Lager gefestigt hat. Seine rechten Konkurrenten hatten nur die Wahl, sich dem Lager der Sieger anzuschließen oder schmollend im Abseits zu stehen. Die Liberalen von Alain Madelin und ein beträchtlicher Teil der Zentrumsdemokraten, die von Beginn an auf die Karte Chirac gesetzt hatten, sind darum – mehr aus Opportunismus als aus Überzeugung – mit von der Partie.
François Bayrou und der kleine Rest seiner zentrumsdemokratischen UDF sowie die konservativen „Souveränisten“ von Charles Pasqua und Philippe de Villiers, welche die politische Annexion ebenfalls empört ablehnen, sind vorerst völlig isoliert. Ohnmächtig wirkt gegenüber der Übermacht der Union bisher auch die zerstrittene parlamentarische Linke. Die Koalition von Sozialisten, Grünen, Kommunisten und linken Radikalen hat das Fiasko der Präsidentenwahlen nicht überlebt. Die Gründung der Union zwingt die heterogene Opposition, sich erneut zusammenzuraufen, um ihrer Rolle in dem von der rechten Union vorgezeichneten Zweiparteien-Schema gerecht zu werden. RUDOLF BALMER
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