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Zur Wilderei gezwungen

Im Kongo wollen ausländische Naturschützer den Menschen die Wilderei ausreden. Aber nur damit können sie im Kriegsgebiet ihr Geld verdienen. Zudem schicken herrschende Rebellen sie zur Jagd

aus Baadai (Kongo) ILONA EVELEENS

In der Kirche von Baadai zeigt der Fernseher Bilder von Elefanten. Ein Mann leckt sich die Lippen und ruft: „Was für eine Menge Fleisch!“ Ein anderer fügt hinzu: „Und schau mal die Stoßzähne. Ein Vermögen!“ Das Kirchengebäude in dem entlegenen Dorf im Norden der Demokratischen Republik Kongo ist nicht mehr als ein Strohdach auf Pfählen. Ein Generator im Schatten einer Palme liefert Strom für die Kinovorstellung, die die Bevölkerung von der Wilderei abhalten soll.

Seit Menschengedenken werden hier an der Grenze zum Sudan und zur Zentralafrikanischen Republik die wilden Tiere getötet und gegessen. Erst in den letzten Jahrzehnten ist die Jagd kommerziell geworden, etwa die Anzahl der Elefanten dramatisch gesunken. Die internationalen Handelsverbote kümmern niemanden. Das Land ist durch korrupte Regierungen und Krieg verfallen.

Der Jäger Cyprien Mbolibie sagt, Wilderei „ist die einzige Art, Geld zu verdienen“. „Mit Landwirtschaft haben wir aufgehört, weil es keine Straßen und Brücken mehr gibt. Elfenbein und Fleisch kannst du aber leicht auf dem Fahrrad festbinden und transportieren.“ Seine Waffen: Pfeil, Bogen und uraltes Gewehr.

Doch werde es immer schwieriger, Elefanten zu finden, sagt er. „Als ich jung war, stolperte man über die Elefanten. Jetzt sehe ich sie nur selten und wenn, sind es nicht mehr als drei“, bestätigt Ron Pontier. Der 48-jährige US-amerikanische Missionar ist in der Region geboren und aufgewachsen.

Das meiste Elefantenfleisch wird in die Zentralafrikanische Republik und den Sudan transportiert. Dort sind die Tiere bereits ausgerottet, die Nachfrage ist geblieben. Händler aus den zwei Ländern lassen Kongolesen für wenig Geld die Arbeit machen. Der in diesem Teil des Kongos herrschende Rebellenführer Jean-Pierre Bemba hat die Wilderei offiziell verboten. „Dennoch wird uns berichtet, dass seine Kommandanten die Bevölkerung zwingen, für sie auf die Jagd zu gehen“, sagt Pontier.

Initiator der Elefanten-Videos in der Dorfkirche ist der Schweizer Fotograf und Naturschützer Karl Amman. „Wilderei vergrößert die Unsicherheit“, sagt er. „In der Zentralafrikanischen Republik, in der es bereits keine wilden Tiere mehr gibt, haben Wilderer Banden gebildet. Sie überfallen Dörfer, morden und plündern.“

Amman weiß aber auch, dass die Videos allein die Bevölkerung nicht an der Jagd hindern. „Die Infrastruktur muss wieder aufgebaut werden, und wir brauchen ein paar Lastautos“, sagt er. „Dann wird die Bevölkerung lieber Landwirtschaft betreiben als die gefährliche Jagd. Aber vor allem ist Frieden nötig und eine Regierung die die Ordnung wiederherstellt.“

Auf Unterstützung der internationalen Naturschutzorganisationen kann der Schweizer nicht zählen. Die wagen sich nicht in Kriegsgebiete. Er fürchtet, dass sein Projekt für die Waldelefanten schon zu spät kommt. Für Affen, die genauso gewildert werden, sieht er weit bessere Chancen.

Als es abends dunkel wird, stellt Karl Amman Fernseher und Generator in seinem Lager auf. Dort zeigt er Bilder von Schimpansen, die einen Intelligenztest machen. Und man glaubt dem Zuschauer, der nun sagt: „Ich habe immer Fleisch von Schimpansen gegessen. Sofort höre ich damit auf. Mir ist jetzt klar, wie schlau sie sind und wie nahe sie uns stehen.“

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