: berliner szenen Im Kreis von Ikea
Kiffen unter Lemmingen
Alles dreht sich und kreist. An diesem Samstagvormittag läuft die Welt im Ikea-Einrichtungshaus Spandau wie immer im Takt. Man fährt im Parkhaus im Kreis, läuft im Kreis durch die Möbelausstellung und schlängelt sich zur Kasse. Das Publikum wie jeden Tag: Mütter mit vier Kindern im Einkaufswagen, noch werdende Mütter, verliebte 19-jährige Pärchen und Junggrafiker, die ihre Einrichtung für das erste Büro abholen. Erinnert an das Urzeitcomputerspiel „Lemminge“. Alles im Takt, geregelt mit Ikea-Family-Card, Lachssteak im Restaurant und den kleinen Holzbleistiften. Zwei haben keine Lust auf Lemminge. Die beiden Jungen sitzen auf einem Sofa „Göteborg“, ihre Wollmützen tief ins Gesicht gezogen, die Füße auf einen „Lack“-Tisch gelegt. Sie scheinen durch die an ihnen vorbeiziehenden Menschen hindurchzuschauen. Der Kleinere bastelt auf einer „Emu“-Box, die er sich auf den Schoß gelegt hat, an einem Joint. Der Größere pfeift leise das Deutschlandlied. Niemand nimmt von ihnen Notiz.
Die beiden Jungen zünden den Joint an. Nehmen tiefe Züge, starren vor sich hin. Ein Mitarbeiter kommt. Aufregung. Er redet von: „verrückt“ und „Sprinkleranlage“. Droht mit der Security. Die beiden Jungen zucken die Schultern. Der Mitarbeiter will den Joint, nimmt ihn dem Kleinen aus der Hand. Die ersten schauen. „Geraucht wird nur im Restaurant“, sagt das Gelbhemd streng. Gleichgültig stehen die beiden auf, reihen sich wieder bei den Lemmingen ein, folgen dem Rundgang. Die Szene ist vorbei, alles dreht sich weiter. Das Gelbhemd bleibt zurück. Immer noch den brennenden Joint in seiner Hand. Er weiß nicht, wohin damit, Ikea führt keine Aschenbecher im Programm.
HENNING KOBER
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen